Urteil des OLG Stuttgart vom 3.12.2002

Haftung einer Sektion des DAV für Unfall auf einer geführten Tour

(Rheinwaldhorn II)

Leitsätze:

1. Einem Vereinsmitglied, das ehrenamtlich eine Vereinsaufgabe wahrnimmt und sich bei der Durchführung der Aufgabe schadensersatzpflichtig macht, steht grundsätzlich ein Freistellungsanspruch gegen den Verein zu (vgl. BGHZ 89, 153).

2. Dies gilt auch, wenn das Vereinsmitglied verstirbt, die Erben mit Erfolg die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass einwenden und eine – die Schadensersatzpflicht allerdings nicht voll deckende – Haftpflichtversicherung des Vereins besteht.

Sachverhalt:

Die Klägerin nahm am 7.8.1988 an einer vom Beklagten [einer Sektion des DAV] in seinen Vereinsnachrichten angezeigten und von Herrn … geführten Bergtour zum [Rheinwaldhorn (3402 m)] in [Tessin] teil und wurde durch den Absturz der Seilschaft schwer verletzt. Sie hat gegen die Erben des bei dem Absturz tödlich verunglückten Tourenführers … einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Ersatz ihres durch den Bergunfall verursachten materiellen und immateriellen Schadens. Der Tourenführer … war – wie der Klägerin und die beiden weiteren verunglückten Tourteilnehmer – Mitglied der Beklagten. Seine Erben traten eine etwa bestehenden Anspruch des Tourenführers … gegen den Beklagten auf Freistellung von der Pflicht zum Ersatz des der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schadens an die Klägerin ab. Gestützt auf diesen abgetretenen Freistellungsanspruch verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung von 58.877,59 € zum Ausgleich eines Teils ihres unfallbedingten materiellen Schadens.

1.

Der Beklagte wies in seinen Vereinnachrichten auf geführte Bergwanderungen im Jahr 1988 hin, u.a. auch auf die Bergtour am 06./07.08.1988 von der … auf das [Rheinwaldhorn] mit dem Führer … Die Klägerin, ihr Ehemann … und Herr … entschlossen sich bei dem vom Beklagten am 29.04.1988 durchgeführten Vorstellungsabend zur Teilnahme an der Bergtour. Der Tourenführer … hatte 1984 einen Eisgrundkurs absolviert und 1986 als Mitglied des Beklagten erfolgreich an einem vom deutschen Alpenverein (künftig: DAV) durchgeführten Grundlehrgang zum Fachübungsleiter (Ski-/Hochtourenführer) teilgenommen. Er wurde vom damals zuständigen Tourenwart des Beklagten als ehrenamtlicher Tourenführer der Bergtour berücksichtigt.

Die Tourteilnehmer übernachteten in der … und brachen am 07.08.1988 gegen 4.30 Uhr zu dem 3402 hohen [Rheinwaldhorn] auf. Herr … hatte nach Unterredung mit dem Hüttenwirt den Aufstieg über den [Läntagletscher] gewählt. Dieser führte über eine mehr als 40 Grad steile, 200 m hohe Eisflanke des Gletschers. An der Gletscherzunge angekommen, rastete die Gruppe. Hierbei äußerten Herr … und …. Sich dahin, dass der Anstieg über das blanke Eis recht gefährlich aussehe. Hierzu erklärte Herr …, er werde die Gruppe im steilen Stück mit Eisschrauben sichern, erforderlichenfalls werde er auch Stufen ins Eis schlagen. Die Tourteilnehmer legten dann Brust- und Sitzgurte sowie Steigeisen an und seilten sich an. Der Tourführer … ging voraus. Ihm folgte mit einem Abstand von ca. 25 bis 30 Metern die Klägerin. Hinter der Klägerin gingen dann in einem Abstand von jeweils 5 m der Ehemann der Klägerin und Herr …. Als die Gruppe zu dem steilen Teil des Gletschers kam, fragten die Teilnehmer … und …, ob Herr … sie sichern wolle. Dieser erklärte „jetzt noch nicht”. Als es steiler wurde, sagte einer der Teilnehmer, ungesichert gehe er nicht weiter. Darauf erwiderte Herr … nun gebe es kein Zurück mehr. Im steilen Stück der Eisflanke wurde nicht mehr gesprochen. Kurz bevor der Tourführer … das Schneefeld im flacheren Teil des Gletschers erreicht hatte, glitt der Ehemann der Klägerin oder Herr … aus. Anschließend stürzte die Seilschaft 200 m tief ab. Dies wäre vermieden worden, wenn der Tourführer … die Seilschaft mittels Eisschrauben gesichert hätte.  Der Tourführer … verstarb noch an der Unfallstelle.

Die Klägerin und Herr … wurden durch den Unfallschwer verletzt. Die damals 29-jährige Klägerin erlitt u.a. eine schwere Mittelhirnprellung mit schweren Dauerfolgen. Sie war mehr als 6 Monate bewusstlos und erlangte erst an Herbst 1995 ein stark eingeschränktes Sprachvermögen. Die Klägerin wird aufgrund ihrer Unfallverletzungen lebenslang unter schweren Behinderungen leiden und pflegebedürftig sein. Sie lebt seit den Krankenhausaufenthalten in einem Pflegeheim.

1991 erhob die Klägerin 1991 beim Landgericht Stuttgart – 25 O 422/91 – gegen den Beklagten, dessen Tourenwart … und die Erben des Tourenführers Klage auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz sowie auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz des weiteren materiellen und immateriellen Schadens. Das Landgericht Stuttgart verneinte durch Teilurteil vom 03.03.1992 eine Haftung des Beklagten und des Tourenwartes aufgrund vertraglicher Ansprüche oder aus unerlaubter Handlung. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des OLG Stuttgart vom 22.06.1994 – 9 U 104/92 -, veröffentlicht in NJW 1996, S. 1352); die Revision gegen das die Berufung zurückweisende Urteil nahm der BGH nicht an (Beschluss vom 11.12.1995 – II ZR 310/94 -). Der Klage gegen die Erben des Tourführers gab das Landgericht Stuttgart durch Urteil vom 11.01.1994 dem Grunde nach statt, wobei das Grundurteil durch Ergänzungsurteil vom 08.03.1994 um den Vorbehalt einer Beschränkung der Haftung auf den Nachlass ergänzt wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung der Erben des Herrn … wies das Oberlandesgericht Stuttgart durch Urteil vom 14.12.1994 – 9 U 45/94 – zurück. Aufgrund des Teil-Anerkenntnis- und  Schluss-Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 02.07.1996 wurden die Erben des Herrn …. Schließlich – wiederum under dem Vorbehalt einer Beschränkung der Haftung auf den Nachlass – rechtskräftig verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 200.000,- DM, eine Schmerzensgeldrente von mtl. 800,-- DM (ab Juli 1991) und materiellen Schadensersatz i.H.v. 393.777,36 DM (…) zu bezahlen; außerdem wurde die Pflicht der Erben zum Ersatz des weiteren materiellen und immateriellen Schadens der Klägerin aus dem Urteil festgestellt.

Die Erben des Tourenführers … haben die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass eingewandt. Nach der unwidersprochenen gebliebenen Feststellung des Landgerichts ist Nachlasskonkursverfahren mangels Masse durch Beschluss vom 20.10.1996 abgelehnt worden. Der Nachlass wurde verwertet, […]. Am 13./26.09.1999 traten die Erebn einen etwa bestehenden Anspruch des Nachlasses nach dem am 07.08.1988 verstorbenen … gegen den Beklagten auf gänzliche oder teilweise Freistellung von der Pflicht zum Ersatz des der Klägerin aus dem Bergunfall entstandenen Schadens an die Klägerin ab.

Der DAV hatte für seine Sektionen und die ehrenamtlichen Tourenführer bei der … zur Deckung von Schadensersatzansprüchen aus Bergunfällen eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Haftpflichtversicherung war 1988 auf eine Versicherungssumme von 2 Mio. DM je Schadensfall beschränkt. Die Parteien gehen davon aus, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin und des Tourteilnehmers … aus dem Bergunfall die Versicherungssumme von 2 Mio. DM deutlich überschreiten werden. Das Verteilungsverfahren nach § 156 Abs. 3 VVG ist bisher noch nicht abgeschlossen. Die [Versicherung] zahlte bisher an die Klägerin 500.000,-- DM, und zwar lediglich als frei anrechenbare Vorschusszahlungen.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin die Zahlung von insgesamt 115.154,41 DM zum Ausgleich folgender Schäden: [folgt Liste, hier nicht wiedergegeben]  

Wegen der Einzelheiten der Forderungsberechnung wird auf die [Akten] verwiesen.

2.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der Tourenführer … habe nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 89, S.153 ff (sog. Pfadfinderentscheidung) gegen den Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von der Schadensersatzhaftung gegenüber der Klägerin. Als ehrenamtlicher Tourenführer habe er bei der Tour zum [Rheinwaldhorn] eine Vereinsaufgabe des Beklagten wahrgenommen. Dabei sei er in erhöhtem Maß einer Regresshaftung ausgesetzt gewesen. Von dieser Haftung müsse der Beklagte den Tourenführer … freistellen. Das Vermögen des Tourenführers … sei zur Befriedigung der Ersatzansprüche aus dem Bergunfall verwertet. Es sei unangemessen, ihn mit einem höheren Schadensanteil als dem gesamten Vermögen zu belasten. Der Tourenführer … habe zwar schuldhaft den Bergunfall verursacht, weil er die Seilschaft nicht durch Eisschrauben gesichert habe. Er habe aber den Schaden nicht grob fahrlässig sondern nur aufgrund normaler - mittlerer - Fahrlässigkeit verursacht. Der Beklagte, nicht jedoch sein ehrenamtlich tätig gewordenes Mitglied …  , habe eine ausreichende Haftpflichtversicherung zur Deckung von Regressansprüchen aus einem Bergunfall abschließen können. Der Freistellungsverpflichtung des Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass der Tourenführer … infolge des Bergunfalls verstorben sei und seine Erben ihre Haftung auf den Nachlass beschränkt hätten.

Der Klägerin sei der vorgetragene Schaden entstanden. […]

Die Klägerin hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 115.154,41 DM […] zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Er sei dem Tourenführer … gegenüber nicht zur Freistellung von Haftpflichtansprüchen der Tourteilnehmer verpflichtet. Die Übernahme der Führung einer Bergtour erfolge nicht ausschließlich im Vereinsinteresse; dies geschehe vielmehr (zumindest auch) im Eigeninteresse des Tourenführers, der seinem Hobby nachgehe. Mit der Bekanntgabe der Tour in den Vereinsnachrichten habe er (der Beklagte) seinen Mitgliedern lediglich die Möglichkeit gegeben, die Bergtour durchzuführen. Die Entscheidung hierzu und die Planung der Tour hätten den Teilnehmern der Tour oblegen. Er (der Beklagte) sei nicht Veranstalter der Tour und der Tourenführer sei bei der Durchführung der Tour von ihm weisungsunabhängig. Der Pflicht zur Freistellung von Haftpflichtansprüchen stehe entgegen, dass der Tourenführer … die versprochene Sicherung der Seilschaft mittels Eisschrauben unterlassen habe und er dabei bedingt vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig gehandelt habe. Durch den Abschluss der Haftpflichtversicherung sei der Beklagte seiner etwaigen Fürsorgepflicht gegenüber den Tourenführern nachgekommen. Soweit Versicherungsschutz bestehe, sei der Beklagte keinesfalls zur Freistellung von Haftpflichtansprüchen verpflichtet. Da die Schadenshöhe noch nicht feststehe und das versicherungsrechtliche Verteilungsverfahren nicht durchgeführt sei, sei derzeit eine Zahlungsklage gegen ihn nicht zulässig. Keinesfalls sei er gegenüber dem Tourenführer … verpflichtet, mehr als die Hälfte des Unfallschadens zu tragen; die von der [Versicherung] erbrachten Zahlungen seien dann freilich auf die Haftungsquote anzurechnen.

[Zur Schadenshöhe]

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags in erster Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen. Das Landgericht hat die Akten des Landgerichts Stuttgart - 25 0 422/91 - (einschließlich der Akten der beiden Berufungsverfahren 9 U 104/92 und 9 U 45/94) beigezogen.

3.

Mit dem am 04.05.2001 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Erben des Tourenführers … hätten die Gefahr, persönlich in Anspruch genommen zu werden, durch den Vorbehalt nach § 780 ZPO abwenden können. Es gebe deshalb keinen Grund für eine weitergehende Freistellung der Erben. Auch dann, wenn der Tourenführer … den Unfall überlebt hätte, müsste die Klage erfolglos sein. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass der Beklagte im Fall der uneingeschränkten Bejahung eines Freistellungsanspruchs wegen der Schadenshöhe aufgelöst werden müsste und dies nicht verlangt werden könne. Die Daten für eine vorzunehmende Abwägung der Frage, ob und in welchem Umfang der Beklagte zu einer Haftungsfreistellung des Herrn … verpflichtet sei, seien noch ungeklärt, weshalb die Klage derzeit unbegründet wäre. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

4.

Gegen dieses […] Urteil hat die Klägerin […] Berufung eingelegt, die sie mit dem am 13.06.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin ist der Auffassung, der abgetretene Freistellungsanspruch sei in der Person des Tourenführers … entstanden und mit dessen Tod - ebenso wie die Verpflichtung zum Schadensersatz gegenüber der Klägerin - auf die Erben übergegangen; der nach dem Absturz eingetretene Tod des Tourenführers … und der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 ZPO hätten nicht zur Folge, dass der im Nachlass vorhandene Freistellungsanspruch untergegangen sei. Sie vertritt weiter die Ansicht, dass unerheblich sei, ob der Schaden aus dem Bergunfall die Leistungsfähigkeit des Beklagten übersteige, da - im Gegensatz zu dem verunglückten Tourenführer … - der Beklagte dem Schadensrisiko durch den Abschluss einer ausreichend hoch bemessenen Haftpflichtversicherung hätte Rechnung tragen können. Die Klägerin bringt ähnlich wie in erster Instanz vor, durch den Bergunfall habe sich für den Tourenführer … aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Beklagten ein Schadens- (Haftungs-) Risiko verwirklicht, von dem der Beklagte den Tourenführer freistellen müsse. Der Fehler, der in der unterbliebenen Sicherung der Seilschaft zu sehen sei, sei als normale - mittlere - Fahrlässigkeit, zu bewerten.

[Zum Schaden]

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 04.05.2001 wird dahin geändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 58.877,51 € […] zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Recht bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang eine Freistellungsverpflichtung des Beklagten bestehe, den Tod des Tourenführers    und den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 ZPO berücksichtigt. Er bringt vor, der Tourenführer … habe sich nicht auf Drängen des Tourenwarts zur Führung der Tour bereit erklärt, auch sei dies nicht die erste Tour gewesen, die Herr … geführt habe. Er macht geltend, regelmäßig würden die ehrenamtlichen Tourenführer die Führung einer Bergtour übernehmen, weil sie damit ihrem Hobby nachgingen. Weiter trägt er ähnlich wie in erster Instanz vor, dass der Tourenführer … sich grob fahrlässig verhalten habe, indem er die Seilschaft nicht, wie abgesprochen, mittels Eisschrauben gesichert habe; auf die Notwendigkeit einer solchen Sicherung einer Seilschaft beim Begehen steiler Eisflanken und auf die Gefahr von Mitreißunfällen sei in der Fachliteratur seit Anfang der 80er Jahre hingewiesen worden. Außerdem macht er geltend, der Tourenführer … habe vorsätzlich die Zusage, die Seilschaft mittels Eisschrauben zu sichern, verletzt, weshalb eine Pflicht zur Freistellung des Tourenführers … von aus seiner vorsätzlichen Verletzung der übernommenen Garantenpflicht entstandenen Haftpflichtansprüchen nicht bejaht werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens, das der Sachverständige … in der Verhandlung am 21.10.2002 erstattet hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21 .10.2002 Bezug genommen. Die vom Landgericht beigezogenen Akten des Landgerichts Stuttgart haben dem Senat und dem Sachverständigen vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die zulässige Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Anders als das LG bejaht der Senat einen Anspruch des verstorbenen Tourenführers … gegen den Beklagten auf Freistellung von der ggü. der Klägerin bestehenden Pflicht zum Ersatz des durch den Bergunfall verursachten Schadens; dieser Freistellungsanspruch ist jedoch nur auf Freistellung i.H.v. 70 % der bestehenden Schadensersatzpflicht begründet (nachfolgend I.).

Die Klägerin hat gegen die Erben des verstorbenen Tourenführers … hinsichtlich der im Rechtsstreit geltend gemachten Schadenspositionen einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 90.403,69 DM (nachfolgend II.). Aufgrund der Abtretung des Freistellungsanspruchs durch die Erben des Tourenführers … kann die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 70 % dieser Schadensersatzforderung, also von 63.282,51 DM (= 32.355,83 Euro) beanspruchen. Die weiter gehende Berufung ist dagegen nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat nach Abtretung des in der Person des Tourenführers … entstandenen Anspruchs auf Freistellung von Haftpflichtansprüchen aus dem Bergunfall gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch i.H.v. 70 % der gegen den Tourenführer … begründeten Schadensersatzforderung.

1.

Der Anspruch auf Freistellung von einer Geldschuld wird nach allgemeiner Meinung (Bittner in Staudinger, BGB, Neubearb. 2001, § 257 BGB Rn. 11) in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, wenn der Freistellungsgläubiger ihn an seinen Gläubiger abtritt. Die Abtretung des Freistellungsanspruchs haben die Klägerin und die Erben des Tourenführers … unstr. am 13./26.9.1999 vereinbart.

2.

Der Senat geht im Folgenden davon aus, dass ein ehrenamtlich tätiges Vereinsmitglied entspr. §§ 670, 27 Abs. 3 BGB von seinem Verein Freistellung von einer Schadensersatzpflicht verlangen kann, wenn es sich bei Durchführung einer ihm übertragenen Vereinsaufgabe einem anderen Vereinsmitglied ggü. schadensersatzpflichtig gemacht hat (so BGHZ 89, 153, 156 ff; im Anschluss hieran ebenso OLG Saarbrücken VersR 1995, S. 832). Die Gründe hierfür sind in der angeführten Entscheidung des BGH ausgeführt und teilt der Senat.

Die Voraussetzungen für die Bejahung eines Freistellungsanspruchs des Tourenführers … liegen vor.

a)

Der Tourenführer … war bei der Durchführung der Bergtour mit der Wahrnehmung einer Vereinsaufgabe des Beklagten betraut. Er hat sich bei der Durchführung dieser Aufgabe der Klägerin ggü. schadensersatzpflichtig gemacht; Letzteres stellt der Beklagte nicht in Zweifel.

Zweck des Beklagten ist nach seiner Satzung „das Bergsteigen und Wandern … zu fördern und zu pflegen” (§ 1 Nr. 1 der Satzung). Dies soll nach der Satzung (§ 2 Nr. 2) erreicht werden durch „Pflege der bergsteigerischen Ausbildung, Förderung bergsteigerischer Unternehmungen … (und) Veranstaltung von gemeinschaftlichen Bergfahrten und Wanderungen”. Die Satzung des Beklagten enthält keine (ausdrückliche) Regelung zu den in den Vereinsnachrichten angezeigten Bergwanderungen und zur Stellung des Tourenführers bei geführten Bergwanderungen.

Im Anschluss an die im Vorprozess ergangene Entscheidung des 9. Zivilsenats vom 22.6.1994 – 9 U 104/92 - zur verneinten Schadensersatzhaftung des Beklagten geht der Senat davon aus, dass der Beklagte durch die Aufnahme der Bergtour in seine Vereinsnachrichten (wie auch durch den Vorstellungsabend) „keine Veranstaltung im Sinne einer Reiseveranstaltung” angeboten hat und deshalb mit dem Beklagten „kein Vertrag im Sinne eines Dienstvertrages oder eines Reisevertrages” zustande gekommen ist. Gleichwohl lässt sich nicht sagen, dass die satzungsmäßige Aufgabe des Beklagten darauf beschränkt war (und ist), durch Bekanntgabe in den Vereinsnachrichten und durch einen Informationsabend ihren Mitgliedern zu ermöglichen, untereinander geführte Bergtouren abzusprechen, mit der Folge, dass die Durchführung der Bergtouren dann außerhalb des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs das Beklagten liegt. Die weite Fassung des Vereinszwecks in der Satzung erfasst vielmehr auch geführte Bergtouren. Der Beklagte sieht die Übernahme der Tourenführung durch ein Vereinsmitglied als ehrenamtlich und damit zu seinem Aufgabenbereich gehörend an. Er bildet (durch den DAV) Vereinsmitglied der zu Tourenführern aus und versucht, unter seinen Mitgliedern Tourenführer zu gewinnen. Dass der Tourenführer auch nach dem Verständnis des Beklagten bei geführten Bergtouren im Aufgabenbereich des Beklagten tätig wird, zeigt auch die von Herrn … am 15.4.1996 anlässlich seiner Anmeldung zum Grundlehrgang unterschriebene Verpflichtungserklärung, in der ausgeführt ist, er dürfe die Tätigkeit als „Ski-/Hochtourenführer, Bergwanderführer, Fachübungsleiter” nur im Auftrag des DAV oder einer Sektion des DAV ehrenamtlich ausüben. Die gewonnenen Tourenführer sind aufgrund ihrer Garantenstellung ggü. den Tourteilnehmern nicht unerheblichen Haftpflichtrisiken ausgesetzt; der Beklagte und der DAV wissen dies, weshalb der DAV für seine Sektionen und die Tourenführer eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Die Durchführung der geführten Bergtour zum … hat nach Auffassung des Senats zum satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Beklagten gehört; sie ist Teil des Satzungszwecks „Förderung des Bergsteigens”. Indem der Beklagte Herrn … gewonnen hat, die Bergtour zum zu führen, ist mit ihm ein „Geschäftsbesorgungsvertrag besonderer Art” (so BGHZ 89, 153, 157) zustande gekommen.

Gegen die Beurteilung, dass der Tourenführer … sich bei der Durchführung einer satzungsmäßigen Aufgabe der Klägerin ggü. schadensersatzpflichtig gemacht hat, kann der Beklagte nicht mit Erfolg vorbringen, die Tourenführer würden regelmäßig mit der Übernahme der Bergführung ihrem Hobby Bergsteigen nachgehen wollen. Auch wenn bei der Übernahme einer Führung die Freude am Bergsteigen und an der Gemeinschaft mit den Tourteilnehmern im Vordergrund steht, handelt es sich hierbei um die Übernahme einer verantwortungsvollen, ehrenamtlichen Tätigkeit, die – wie ausgeführt – zum satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Beklagten gegenüber seinen Mitgliedern gehört. Unerheblich ist auch, ob Herr … zur Führung der Bergtour gedrängt worden ist oder er sich hierzu unaufgefordert bereit erklärt hat. Schließlich kann die Wahrnehmung einer satzungsmäßigen Aufgabe bei der Führung nicht deshalb verneint werden, weil der Tourenführer (vor Ort) über die Route und die Durchführung der Tour weisungsunabhängig entscheidet. Die Durchführung geführter (Hochgebirgs-) Touren erfordert, dass der Führer, je nach Situation in Absprache mit den Tourteilnehmern, während der Tour eigenverantwortlich Entscheidungen treffen muss (und kann); zur Verringerung der hiermit verbundenen Risiken lässt der Beklagte geeignete Mitglieder als Tourenführer ausbilden und trifft unter den Tourenführern eine Auswahl für die jeweiligen Bergtouren.

b)

Die Schadensersatzansprüche der Klägerin und des Herrn … gegen den Tourenführer … sind adäquate Folgen der besonderen Gefahr, die mit der Durchführung geführter (Hochgebirgs-)Touren objektiv verbunden ist. Der ehrenamtliche Bergführer übernimmt ggü. den Tourteilnehmern eine Schutzfunktion. Bei geführten Hochgebirgstouren besteht die besondere Gefahr, dass durch eine Fehleinschätzung oder Fehlreaktion des Tourenführers Tourteilnehmer verunglücken, dabei schweren Personenschaden erleiden und dann – bei Bejahung eines Verschuldens des Tourenführers – gegen den Tourenführer Schadensersatzansprüche in beträchtlicher Höhe haben können. Es ist nicht gerechtfertigt, dass ein ehrenamtlicher Tourenführer das mit der Übernahme der Bergführung verbundene Risiko, bereits bei leichter Fahrlässigkeit hohen Schadensersatzansprüchen der Tourteilnehmer ausgesetzt zu sein, allein tragen soll. Dies gilt auch für den Bergunfall am 7.8.1988, wenn man zunächst von der Frage absieht, ob wegen des Maßes des Verschuldens der Freistellungsanspruch des Tourenführers … eingeschränkt oder überhaupt zu verneinen ist. Bei dem Bergunfall am 7.8.1988, durch den der Tourenführer … hohen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt ist, hat sich nicht ein allgemeines Lebensrisiko, sondern gerade das mit der Übernahme der Bergführung verbundene besondere Risiko verwirklicht.

c)

Anders als das LG ist der Senat der Auffassung, dass ein Freistellungsanspruch nicht deshalb zu verneinen ist, weil der Tourenführer … noch an der Absturzstelle verstorben ist und seine Erben den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung eingewandt haben.

Der Freistellungsanspruch ist (noch) in der Person des Herrn … entstanden. Dieser hat sich der Klägerin (und Herrn …) ggü. regresspflichtig gemacht, indem er schuldhaft eine Sicherung der Seilschaft mittels Eisschrauben in der steilen Flanke des Gletschers unterließ. Aufgrund der schuldhaft unterbliebenen Sicherung der Seilschaft stürzte diese nach dem Ausgleiten eines Tourteilnehmers 200 m ab und erlitt die Klägerin die schweren Verletzungen. Die Schadensersatzforderung der Klägerin ist deshalb eine Nachlassverbindlichkeit. Der abgetretene Anspruch auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit ist bereits mit der Übernahme der Führung begründet worden und mit der Schadensersatzverpflichtung entstanden, also noch zu Lebzeiten des Herrn … . Unerheblich ist, ob der Tourenführer bereits während des Absturzes oder erst nach dem Absturz verstorben ist.

Die schlechte Vermögenslage eines Befreiungsgläubigers und dessen Insolvenz stehen der Bejahung eines Befreiungsanspruchs nicht entgegen. Auch derjenige, der aufgrund einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung einer Verbindlichkeit ausgesetzt ist, der aber vermögenslos ist oder in Vermögensverfall gerät und deshalb die Verbindlichkeit nicht aus seinem Vermögen begleichen kann, hat durch die Belastung mit der Verbindlichkeit einen Schaden und kann deshalb Befreiung von der Verbindlichkeit beanspruchen (BGH NJW 1976, S. 1402, 1403; BGH NJW 1986, S. 581,  582 f.). Wird der Gläubiger des Befreiungsanspruchs insolvent und wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so verwandelt sich der Befreiungsanspruch in einen Anspruch auf Zahlung in voller Höhe der zu tilgenden Schuld an die Insolvenzmasse (BGH NJW 1994, 49, 50 f.; Bittner in Staudinger, BGB, Neubearb. 2001, § 257 Rn. 15). Dass der (Haupt-) Gläubiger erst aufgrund Abtretung (oder Pfändung) des Befreiungsanspruchs Befriedigung erlangt, die er sonst von dem mittellosen Befreiungsgläubiger nicht erlangt hätte, ist unbedenklich (Bittner in Staudinger, BGB, Neubearb. 2001, § 257 Rn. 14).

Die schlechte Vermögenslage des Befreiungsgläubigers steht also der Bejahung eines Befreiungsanspruchs nicht entgegen. Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für den Fall des Todes des Befreiungsgläubigers und der Unzulänglichkeit des Nachlasses für die Befriedigung des (Haupt-) Gläubigers aus dem Nachlass (zu diesem gehört freilich der etwaige Befreiungsanspruch). Wenn mangels Masse ein Nachlassinsolvenzverfahren nicht durchgeführt wird und die Erben die Unzulänglichkeitseinrede erheben, haben die Erben den Nachlass, in dem sich der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit befindet, zum Zweck der Befriedigung des Gläubigers herauszugeben, § 1990 Abs. 1 S. 2 BGB. Letzteres ist hier geschehen.

Es ist nicht gerechtfertigt, auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, abweichend von den obigen Grundsätzen einen Freistellungsanspruch des Vereinsmitglieds … zu verneinen, weil dieses bei dem Absturz der Seilschaft getötet worden ist und seine Erben die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass mit Erfolg eingewandt haben. Neben dem etwaigen Freistellungsanspruch und dem Deckungsschutzanspruch gegen die … befand sich im Nachlass des verstorbenen Tourenführers … durchaus pfändbares Vermögen. Es ist nicht gerechtfertigt, einen Freistellungsanspruch bzw. einen Erstattungsanspruch des Tourenführers … (wäre dieser nicht bereits an der Unfallstelle verstorben) und nach dessen Tod seiner Erben zu verneinen, soweit die Klägerin Befriedigung ihres Schadensersatzanspruchs aus dem Vermögen/dem Nachlass sucht und Zahlung erhält. Ob nun der Schadensersatzanspruch der Klägerin geringer ist als der Wert des Nachlasses (abgesehen von dem Freistellungsanspruch und von dem Deckungsschutzanspruch gegen die …) oder diesen bei weitem übersteigt, hängt von Zufälligkeiten ab und kann für die Entscheidung, ob ein Freistellungsanspruch des verstorbenen Vereinsmitglieds zu bejahen ist, nicht maßgebend sein. im Gegensatz zum LG sieht der Senat in der Bejahung eines Freistellungsanspruchs auch keinen Wertungswiderspruch dazu, dass die Klage der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz abgewiesen worden ist. Der abgetretene Freistellungsanspruch ist aufgrund des zwischen dem Beklagten und dem Vereinsmitglied … bestehenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses besonderer Art und aufgrund des Gedankens, dass der Verein seine zur Durchführung schadensträchtiger Aufgaben eingesetzten Mitglieder nicht allein die Risiken aus der Aufgabenwahrnehmung tragen lassen darf, begründet. Dieser Gesichtspunkt war in dem vorangegangenen Prozess der Klägerin gegen den Beklagten ohne Bedeutung. Unerheblich ist, dass die Klägerin ohne den abgetretenen Freistellungsanspruch (und ohne den Deckungsschutzanspruch gegen die …) aus dem Nachlass des Tourenführers keine weitere Zahlung erlangen könnte. Der Beklagte hat, wie er es nach dem Bergunglück unternommen hat […], die Möglichkeit gehabt, durch Erhöhung der Haftpflichtversicherungssumme und durch eine haftungsbegrenzende Absprache anlässlich der Anmeldung seiner Mitglieder zu geführten Bergtouren eine Schadensersatzhaftung seines Mitglieds, das sich zur Führung der Bergtour bereit gefunden hat, und damit auch seine mittelbare Einstandspflicht für die Folgen eines Bergunfalls abzuwenden bzw. zu begrenzen.

3.

Der abgetretene Freistellungsanspruch scheitert auch nicht bereits deshalb, weil der Tourenführer … den Absturz der Seilschaft und damit die Schädigung der Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hätte. Das dem Tourenführer … als schuldhaft vorwerfbare, für den Unfall ursächlich gewordene Verhalten ist nicht als (bedingt) vorsätzlich oder grob fahrlässig zu bewerten.

a)

Anhaltspunkte dafür, dass der Tourenführer … die Verletzung der Tourteilnehmer infolge des Absturzes der Seilschaft bedingt vorsätzlich herbeigeführt hätte, er also den Absturz der Seilschaft mangels einer Sicherung durch Eisschrauben für möglich gehalten und dies sowie eine Verletzung der Tourteilnehmer billigend in Kauf genommen hätte, bestehen nicht. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Tourenführer … darauf vertraut hat, die Tourteilnehmer würden den steilen Teil der Eisflanke bewältigen und eine Sicherung mittels Eisschrauben sei entbehrlich.

b)

Im steilen Teil des Gletschers war eine Sicherung der Seilschaft mittels Eisschrauben geboten. Dies haben die Sachverständigen … und … bereits im Vorprozess für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargestellt und wird von den Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht in Frage gestellt. Hiervon geht der Sachverständige … bei seinem am 21.10.2002 erstatteten Gutachten auch aus. Der Tourenführer … hätte aufgrund seiner bergsteigerischen Erfahrung und seiner Ausbildung erkennen können und müssen, dass die Seilschaft, und zwar gerade wegen der Gefahr eines Mitreißunfalls im Fall des Ausgleitens eines Tourteilnehmers, im steilen Teil des Gletschers mittels Eisschrauben gesichert werden muss. Es bestand nach den Ausführungen des Sachverständigen … auch kein Anlass, aus Zeitgründen von der (zeitraubenden) Sicherung abzusehen. Der Absturz der Seilschaft und damit die Verletzung der Klägerin wären durch eine Sicherung mittels Eisschrauben verhindert worden. Der Tourenführer … hat also schuldhaft, und zwar fahrlässig, die Verletzung der Klägerin infolge des Absturzes der Seilschaft herbeigeführt. Dies zieht der Beklagte nicht in Zweifel.

c)

Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen … gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass dem Tourenführer … nicht vorgeworfen werden kann, er habe grob fahrlässig den Unfall herbeigeführt; der Fahrlässigkeitsgrad liegt vielmehr noch im Bereich der mittleren Fahrlässigkeit.

(1)

Ein vorwerfbares Verhalten ist als grob fahrlässig zu bewerten, wenn bei dem Verhalten die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maß verletzt worden ist und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (BGHZ 89, S. 153, 161; st. Rspr. des BGH). Dem Handelnden muss in subjektiver Hinsicht eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorgeworfen werden können.

(2)

Dem Tourenführer … kann als schuldhaftes Fehlverhalten „nur” vorgeworfen werden, die Seilschaft nicht bereits am Beginn des steilen Teils der Eisflanke mittels Eisschrauben gesichert zu haben. Dabei kann schulderschwerend berücksichtigt werden, dass der Tourenführer den Tourteilnehmern zuvor unstr. eine Sicherung mit Eisschrauben in Aussicht gestellt hatte, und zwar zunächst bei der Rast an der Gletscherzunge anlässlich des Hinweises, der Anstieg über das blanke Eis sehe recht gefährlich aus, und dann vor Beginn des steilen Stücks mit der Erklärung „jetzt noch nicht”.

Der Tourenführer … wählte nach Unterredung mit dem ortskundigen Hüttenwart den Aufstieg über den Läntagletscher. Dieser Aufstieg war sachgerecht. Dass er dem Leistungsvermögen der Tourteilnehmer nicht entsprach, wird nicht geltend gemacht.

Die Tourteilnehmer wurden an der Gletscherzunge richtig angeseilt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen … bei seiner Anhörung am 13.4.1994 (im Berufungsverfahren 9 U 104/92, …)  zeigt die Anseiltechnik, dass der Tourenführer die ihm nachfolgenden Mitglieder an dem Hang sichern wollte. Dies hat der Sachverständige … bei seiner Anhörung durch den Senat ebenso gesehen.

Dass der Tourenführer die für eine Sicherung der Seilschaft mindestens erforderliche Anzahl an Eisschrauben (3 Stück) nicht mit sich führte und deshalb von vornherein eine Sicherung mittels Eisschrauben nicht in Betracht gezogen hatte, macht der Beklagte nicht geltend und kann nicht angenommen werden. Bereits im Vorprozess konnte nicht geklärt werden, ob der Tourenführer lediglich eine Eisschraube bei sich hatte oder mehr; möglich erscheint, dass bei dem Absturz Eisschrauben verloren gingen. Dass der Ehemann der Klägerin bei seiner Zeugenvernehmung im Vorprozess angegeben hat, er habe am Gurt des Herrn … keine Eisschrauben gesehen und Herr … habe keine Eisschrauben aus dem Rucksack herausgeholt, lässt die Feststellung nicht zu, dass der Tourenführer entgegen seiner so von dem Ehemann der Klägerin bekundeten Äußerung, er habe Eisschrauben dabei, doch keine Eisschrauben mit sich geführt hat. Hiergegen spricht auch die Art und Weise, in der die Tourteilnehmer … angeseilt wurden; nach der Darlegung des Sachverständigen … ist auch nicht erklärlich, weshalb der Tourenführer … nur eine Eisschraube dabei gehabt haben sollte.

Dem Tourenführer … kann auch nicht schulderschwerend angelastet werden, dass er, als die Seilschaft bereits im steilen Teil des Gletschers war, auf die Äußerung eines Tourteilnehmers, ungesichert gehe er nicht weiter, erwidert hat, es gebe kein Zurück mehr, und eine Sicherung der Seilschaft mit Eisschrauben nicht mehr vorgenommen hat. Der Sachverständige … hat für den Senat überzeugend erläutert, dass dann, wenn die Gruppe bereits im steilen Bereich gewesen sei (Gegenteiliges kann nicht festgestellt werden), Sicherungsmaßnahmen im Hang zwar nicht ausgeschlossen wären, diese aber viel komplizierter als im Fall einer Sicherung der Gruppe ab Beginn des steilen Bereichs gewesen wären und während der Vornahme der Sicherungsmaßnahmen die Tourteilnehmer in einer ungesicherten Position hätten verbleiben müssen, dass deshalb die Bemerkung des Tourenführers in dieser Situation für ihn nachvollziehbar sei.

(3)

Auch unter Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Sicherung der Seilschaft mittels Eisschrauben verneint der Senat eine grobe Fahrlässigkeit des Tourenführers …

Wie oben ausgeführt hat der Tourenführer bis zu Beginn des steilen Teils des Gletschers die erforderliche Sorgfalt bei der Tourenführung beachtet. Die als schuldhaft vorzuwerfende Fehlentscheidung des Tourenführers liegt darin, nicht schon ab dem Fuss des Steilstücks der Eisflanke die Seilschaft mittels Eisschrauben gesichert zu haben.

Der Sachverständige … hat bei seiner Anhörung am 13.4.1994 im Berufungsverfahren 9 U 104/92 […] darauf hingewiesen, das „Perfide” an dem Hang sei, dass es zunächst langsam ansteigt und dann steiler wird, und zwar erst in der oberen Phase, dann aber wieder flacher wird. Dies legt den Schluss nahe, dass der Tourenführer … einer Fehleinschätzung des Hangs erlegen ist und deshalb von einer rechtzeitigen Sicherung der Seilschaft abgesehen hat. Die Ausführungen des Sachverständigen bestätigen dies. Der Sachverständige hat zur Sicht des Tourenleiters ausgeführt, dass die Entscheidung, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, von vielen Umständen abhängt, und zwar nicht nur von einer bestimmten Steilheit, sondern auch von der Erfahrung der geführten Gruppe. Der Sachverständige … sieht dabei – ähnlich die der Gutachter … – die dem Tourenführer … vorwerfbare Fehlentscheidung auch in einer möglichen Fehleinschätzung der Teilnehmer. Er verweist darauf, dass es viel schwieriger ist, andere Bergsteiger zu führen, als eine Tour mit gleichwertigen Bergsteigern zu machen, und dass dem Tourenführer … Erfahrungen, ob ein weniger erfahrenes Mitglied seiner Gruppe eine Situation bereits als schwierig empfindet und wie es hierauf reagiert, gefehlt haben können. Eine solche Fehleinschätzung durch den ehrenamtlichen Tourenführer … erachtet der Senat hier für nahe liegend, jedenfalls für nicht ausgeschlossen (der Beklagte hat die Beweislast dafür, dass der Tourenführer den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat). Der Tourenführer … hatte den Grundlehrgang zum Führungsleiter (10 Tage) im Juni 1986 erfolgreich absolviert. Der Beklagte hat nicht dargetan, dass der Tourenführer … neben einer Tour am 23./24.7.1988 auf das … weitere Bergtouren mit Mitgliedern des Beklagten geführt hat. Seine Erfahrung kann deshalb nicht mit den Erfahrungen, die bei einem berufsmäßigen (…) Bergführer erwartet werden können, gleichgesetzt werden.

Auch wenn der Tourenführer … den Tourteilnehmern zunächst eine Sicherung der Seilschaft in Aussicht gestellt hatte, kann also eine noch nachvollziehbare Fehleinschätzung der Eisflanke und der Leistungsfähigkeit der Teilnehmergruppe den Tourenführer veranlasst haben, von einer rechtzeitigen, bereits am Fuß des Steilstücks beginnenden Sicherung mittels Eisschrauben abzusehen. Der Sachverständige … hat, auch unter Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Sicherung der Seilschaft, aufgrund seiner besonderen Sachkunde und Erfahrung die Fehleinschätzung des Tourenführers … trotz des vorher geäußerten Wunsches nach einer Sicherung als noch nachvollziehbar angesehen. Als die Seilschaft sich schließlich im steilen Stück der Eisflanke befand, war es jedoch für eine Sicherung der Seilschaft „zu spät”, auch wenn Sicherungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen waren. Damit kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass der Tourenführer … in subjektiver Hinsicht schlechthin unentschuldbar die erforderliche Sorgfalt verletzt hat. Hiergegen spricht auch, dass ihm mit Ausnahme der Fehlentscheidung, nicht bereits am Fuß des Steilstücks die Seilschaft mittels Eisschrauben gesichert zu haben, ein weiteres sorgfaltswidriges Verhalten nicht angelastet werden kann. Es scheidet somit der Vorwurf aus, den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt zu haben. Auch sieht der Senat den objektiven Verstoß gegen die erforderlichen Sorgfaltspflichten für nicht so schwer an, dass grobe Fahrlässigkeit auch in objektiver Hinsicht zu bejahen wäre. Jedenfalls ist, wie ausgeführt, die subjektive Voraussetzung für die Bejahung der groben Fahrlässigkeit nicht gegeben.

Der dem Tourenführer … vorwerfbare Verschuldensgrad ist mithin in den Bereich der mittleren, normalen Fahrlässigkeit einzuordnen. Leichteste Fahrlässigkeit scheidet ersichtlich aus.

Der Beklagte hat in der Verhandlung am 21.10.2002 vorgebracht, in der konkreten Situation sei ein Unterschied zwischen einem Schweizer Bergführer und einem Tourenführer des DAV nicht zu machen, weil nach den Ausbildungsrichtlinien des DAV von einer gleichwertigen Ausbildung auszugehen sei; zum Beweis für diese Behauptung hat er sich auf die Einholung eines Gutachtens berufen. Dem Beweisantritt ist nicht nachzugehen. Die Bejahung der groben Fahrlässigkeit scheitert jedenfalls in subjektiver Hinsicht daran, dass der Tourenführer … mangels ausreichender Erfahrung bei Bergtouren mit weniger geübten Teilnehmern einer noch verständlichen Fehlentscheidung erlegen sein kann.

4.

Nach Auffassung des Senats hat in entspr. Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB eine Abwägung zu erfolgen, in welchem Umfang der Beklagte sein Vereinsmitglied … bzw. dessen Erben von Schadensersatzansprüchen der verunglückten Tourteilnehmer freizustellen hat. Der Senat bejaht hier einen Freistellungsanspruch i.H.v. 70 % des Schadensersatzanspruchs der Klägerin.

a)

In der genannten Pfadfinderentscheidung hat der BGH auf die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei gefahrgeneigter Arbeit (diese Grundsätze sind seit dem Beschluss des Großen Senats des BAG vom 27.9.1994 - NJW 1995, 210 ff - nicht mehr auf das Vorliegen einer gefahrgeneigten Arbeit beschränkt) verwiesen (BGHZ 89, S. 153, 158 f.). Er hat hierzu ausgeführt, nach diesen Grundsätzen müsse ein Arbeitnehmer bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit den Schaden allein tragen, sinngemäß müsse dies auch für die Einstandspflicht des Vereins gelten (BGHZ 89, S. 153, 160; ob eine Schadensstellung zu Lasten des Vereinsmitglieds in Betracht kommt, wenn dieses den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht hat, hat in der genannten Entscheidung dahingestellt bleiben können (BGHZ 89, S. 153, 161).

Teilweise wird mangels einer Vergleichbarkeit der Rechtsbeziehungen eine Anwendung der zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung entwickelten Grundsätze abgelehnt, wenn das ehrenamtlich tätig gewordene Vereinsmitglied bei der Durchführung einer schadensträchtigen Vereinsaufgabe einer Schadensersatzpflicht ausgesetzt ist. Es wird die Auffassung vertreten, das Vereinsmitglied solle – im Verhältnis zum Verein – in Analogie zu §§ 300 Abs. 1, 521, 599, 680, 968 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen müssen, dies sei aufgrund der Fremdnützigkeit seiner Tätigkeit gerechtfertigt und unterhalb der Grenze der groben Fahrlässigkeit sei § 254 BGB nicht anzuwenden (Eisele, Haftungsfreistellung von Vereinsmitgliedern und Vereinsorganen in nichtwirtschaftlichen Vereinen, 1998, S. 137 ff; so wohl auch Erman/Ehmann, BGB, 10. Aufl., § 670 Rn. 19).

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Grundsätzlich gilt im Auftragsrecht der allgemeine Verschuldensmaßstab (Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 662 Rn. 11). Im Verschuldensbereich unterhalb der groben Fahrlässigkeit ist nach Auffassung des Senats in entspr. Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB zu prüfen, ob der Verein den Schaden, der seinem ehrenamtlich tätig gewordenen Mitglied bei der Durchführung der Vereinsaufgabe entstanden ist, vollständig zu übernehmen hat oder ob eine Teilung des Schadens zwischen Verein und Vereinsmitglied stattzufinden hat (so wohl auch Soergel/Beuthin, BGB, 12. Aufl., § 670 Rn. 22). Unter sinngemäßer Berücksichtigung der Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung (nach diesen Grundsätzen kann eine Haftungsentlastung des Arbeitnehmers ggü. dem Arbeitgeber nur nach Maßgabe einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung des Verschuldens gegen das Betriebsrisiko im Rahmen des § 254 BGB erfolgen, BGH NJW 1996, S: 1523) können bei entspr. Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB sachgerechte Ergebnisse erzielt werden.

Eine Absprache des Beklagten mit dem Vereinsmitglied … darüber, dass mit Ausnahme von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Schäden aus einem Bergunfall, der sich bei einer Tourenführung ereignete, vom Verein zu tragen sind, wird nicht behauptet. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Absprache stillschweigend getroffen sein könnte, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

b)

Bei der entspr. § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung kann der im Arbeitsrecht entwickelte Gedanke sinngemäß berücksichtigt werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht eine Belastung mit solchen Schäden und Schadensersatzansprüchen zumuten darf, die letztlich aus der besonderen Gefahr der übertragenen Arbeit folgen und als solche auch dann zum typischen, vom Unternehmer zu tragenden Betriebsrisiko gehören können, wenn sie im Einzelfall vom Arbeitnehmer schuldhaft herbeigeführt worden sind. Dass die ehrenamtliche Übernahme von Bergführungen für den Tourenführer die besondere Gefahr hoher Schäden und von Haftpflichtansprüchen im Fall eines Bergunfalls, bei dem der Eintritt sehr schwerer Personenschäden nicht fern liegend ist, birgt, ist bereits oben ausgeführt. Es liegt durchaus im Interesse des Beklagten, seine ehrenamtlichen Tourenführer vor solchen Schäden aus Bergunfällen zu schützen, da andernfalls die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Übernahme von Tourenführungen in Frage gestellt worden könnte. Für die Schadensteilung wesentlich ist auch, dass der Beklagte, und zwar über den DAV, durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit hoher Versicherungssumme (sich und) seine Tourenführer vor Haftpflichtansprüchen der Tourteilnehmer schützen kann; die Kosten hierfür können auf die Mitglieder verteilt werden. Ergänzend kann anlässlich der Anmeldung zu einer geführten Tour auch eine Vereinbarung über eine Haftungsbeschränkung getroffen werden, wie dies der Beklagte nunmehr nach dem Bergunfall vorsieht und was bereits vor dem Bergunfall nahe gelegen hätte,

Auf Seiten des ehrenamtlichen Tourenführers … ist von Bedeutung der Grad seines Verschuldens. Dieser bleibt, wie oben ausgeführt, unterhalb der Grenze zur groben Fahrlässigkeit. Allerdings kann die Schwere des Verschuldens objektiv wie subjektiv nicht als im unteren, sondern muss als im oberen Bereich der mittleren Fahrlässigkeit liegend angesehen werden, und zwar auch wegen der in Aussicht gestellten Sicherung der Tourteilnehmer mittels Eisschrauben. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zum Beklagten der Tourenführer … (praktisch) keine Möglichkeit gehabt hat, sich vor Haftpflichtansprüchen aus Bergunfällen durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu schützen. Auch kam ohne „Federführung” des Beklagten für ihn der Abschluss einer haftungsbeschränkenden Vereinbarung mit den Tourteilnehmern nicht in Betracht.

Der Senat misst dem Verschulden des Tourenführers … Gewicht bei. Er ist aber der Auffassung, dass für die auch nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten vorzunehmende Schadensteilung die Möglichkeit des Beklagten, für einen ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutz zu sorgen, im Vordergrund steht. Der Senat erachtet deshalb eine Aufteilung des hohen Haftpflichtschadens aus dem Bergunfall im Verhältnis von 70 % zu 30 % zu Lasten des Beklagten für angemessen. Hiernach ist der Beklagte verpflichtet, die Erben des Tourenführers … i.H.v. 70 % der ggü. der Klägerin bestehenden Schadensersatzverpflichtung freizustellen.

c)

Der bestehende, freilich auf 2 Mio. DM begrenzte Haftpflichtversicherungsschutz durch die … steht der Bejahung des Freistellungsanspruchs i.H.v. 70 % der Schadensersatzverpflichtung nicht entgegen.

Nach der Rspr. (BGH NJW 1972, S. 440 f.; BGH NJW 1992, S. 900, 902; BAG EzA § 611 BGB – gefahrgeneigte Arbeit, Nr. 28; BAG NJW 1998, S. 1810, 1811) kann sich ein Arbeitnehmer nicht auf die Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung und zum innerbetrieblichen Schadensausgleich berufen, wenn zu seinen Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eingreift; es sollen darin die allgemeinen Haftungsregeln für eine schuldhafte Schädigung wieder zum Tragen kommen. Ob dies auf das Verhältnis zwischen dem Verein und dem ehrenamtlich tätig gewordenen Mitglied übertragen werden kann, erscheint fraglich. Jedenfalls besteht für den Schadensfall keine (gesetzlich vorgeschriebene) Pflichtversicherung und kann sich der Beklagte deshalb gegen die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs nicht mit Erfolg auf den Abschluss der Haftpflichtversicherung berufen.

Letzteres ist zudem dem Beklagten auch aus folgenden Gründen verwehrt: Die Erben haften – freilich beschränkt auf den Nachlass – der Klägerin unbeschränkt. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Versicherungssumme von 2 Mio. DM nicht zur Deckung der Haftpflichtansprüche der Klägerin und des Herrn … ausreicht, so dass eine Verteilung nach § 156 Abs. 3 VVG stattzufinden hat. Die Erben des Tourenführers … werden also nicht von allen Haftpflichtansprüchen aus dem Bergunfall von der … freigestellt werden. Der Beklagte ist durch die vom DAV auch für seine Sektionen abgeschlossene Haftpflichtversicherung auch gegen die Inanspruchnahme aufgrund eines Befreiungsanspruchs (dieser ist der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gleichzusetzen, Voit in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 1 AHB Rz. 7) versichert. Da feststeht, dass die Haftpflichtversicherung nicht alle Ansprüche der Klägerin decken wird und die … bisher lediglich 500.000 DM (dieser Betrag ist geringer als der durch Urteil des LG Stuttgart vom 2.7.1996 zugesprochene materielle und immaterielle Schadensersatz) gezahlt hat, dazu lediglich als frei anrechenbare Vorauszahlung, wäre es unbillig, wenn der Beklagte auf eine vorrangige Inanspruchnahme der … verweisen könnte. Es ist vielmehr sachgerecht, dass der Beklagte auf Befreiung (freilich nur i.H.v. 70 %) von dem Schadensersatzanspruch der Klägerin (nach der erfolgten Abtretung auf Zahlung) in Anspruch genommen worden kann und er dann klärt, in welchem Umfang die … zur Leistung verpflichtet ist.

d)

Der Befreiungsanspruch ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil nach dem Vortrag des Beklagten vor dem Unfall am 7.8.1988 ein derart hoher Schadensfall, bei dem die Haftpflichtversicherungssumme zur Deckung der Haftpflichtansprüche nicht ausreicht, nicht aufgetreten war. Die Einschätzung des Beklagten oder des DAV, die Haftpflichtversicherungssumme von 2 Mio. DM sei bei den geführten Touren ausreichend, ist fehlerhaft gewesen. Dies kann nicht zu Lasten des ehrenamtlichen Tourenführers gehen. Der Beklagte und der DAV haben auch vor dem Unfall am 7.8.1988 aufgrund ihrer Erfahrung die beträchtlichen Risiken aus geführten (Hochgebirgs-) Touren abschätzen können und – wie ausgeführt – sich sowie die Tourenführer vor Haftungsansprüchen aus einem Bergunfall schützen können.

Gegen die Klage kann entgegen der Ansicht des LG nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Klägerin dürfe wegen der einfachen Fahrlässigkeit eines ehrenamtlichen Tourenführers, für den der Verein nicht unmittelbar verantwortlich sei, nicht notfalls die Auflösung des gesamten Vereins durchsetzen. Auch im Fall des vollen Erfolgs der erhobenen Klage über 58.877,51 Euro wird die Auflösung des Beklagten zur Befriedigung des zugesprochenen Schadensersatzanspruchs nicht erforderlich sein.

II.

[Zum Schaden]

III.

[…]

Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO die Revision für die Klägerin und den Beklagten zu. Zwar ist durch die sog. Pfadfinderentscheidung (BGHZ 89, S. 153 ff.) grundsätzlich geklärt, dass einem Vereinsmitglied, das wie der Tourenführer … ehrenamtlich eine schadensträchtige Vereinsaufgabe übernimmt und sich bei der Durchführung der Aufgabe schadensersatzpflichtig macht, ein Freistellungsanspruch gegen den Verein zusteht. Der Frage, ob etwas anderes gilt, wann das Vereinsmitglied verstirbt, die Erben mit Erfolg die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass einwenden und eine – die Schadensersatzpflicht des Vereinsmitglieds freilich nicht voll deckende – Haftpflichtversicherung für das schädigende Ereignis besteht, misst aber der Senat grundsätzliche Bedeutung bei. In der sog. Pfadfinderentscheidung ist dazuhin offen geblieben, ob eine Schadenstellung zu Lasten des Vereinsmitglieds in Betracht kommt, wenn dieses den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht hat; insofern erfordert nach Auffassung des Senats die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung durch das Revisionsgericht.


OLG Stuttgart (Rheinwaldhorn I)


Leitsätze

1. Wenn ein alpinistischer Verein seinen Mitgliedern (gegen einen geringfügigen Unkostenbeitrag) Bergtouren anbietet, die von ehrenamtlich tätigen Vereinsmitgliedern geführt werden, haftet er für einen Bergunfall, der auf einen Fehler des Führers zurückzuführen ist, weder aufgrund eines Dienst- noch aufgrund eines Reisevertrages. Allenfalls kommt eine Haftung wegen Verletzung der aus dem Mitgliedschaftsverhältnis erwachsenen Schutz- und Obhutspflichten in Betracht. Der Verein darf deshalb eine "geführte Bergwanderung" aus seinem Angebot nicht etwa einem Führer überlassen, der fachlich und persönlich dafür nicht geeignet war.

2. Läßt sich ein solches Auswahlverschulden nicht erkennen, ist eine Haftung aus dem Aspekt der Verkehrssicherungspflichtverletzung in Betracht zu ziehen. Eine Haftung wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht setzt voraus, daß eine Verantwortlichkeit des Vereins für atypische Gefahren besteht, welche über die üblichen Gefahren des Bergsteigens hinaus zu einer besonderen Gefährdung führen und nicht ohne weiteres erkennbar und vermeidbar sind. Dabei ist zu beachten, daß jeder Bergsteiger grundsätzlich in Eigenverantwortung ein gewisses Risiko in Kauf nimmt.

3. Wenn bei einer Seilschaft ein Teilnehmer ausrutscht und die gesamte Seilschaft mit sich zieht, verwirklicht sich jedenfalls keine atypische Gefahr des Bergsteigens, die eine Verantwortlichkeit des Vereins im Sinne der Verantwortung für eine besondere Gefahrenquelle begründen könnte.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen Verletzungen, die sie am 07.08.1988 bei einer Bergtour aus dem Programmangebot des Erstbeklagten erlitten hat.

Der Erstbeklagte ist ein rechtsfähiger Verein, dem die Klägerin seit 1986 als Mitglied angehört. Sie hatte ebenso wie die anderen Tourenteilnehmer einen Organisationsbeitrag von 20, DM bezahlt. Der Zweitbeklagte war 1987/1988 als Tourenwart für den Erstbeklagten tätig.

Die im Streit stehende Bergtour auf das Rheinwaldhorn in Graubünden/Schweiz wurde von ... geführt, der seit 1986 ehrenamtlich als Ski-/Hochtourenführer für den ... tätig war und mehrere Lehrgänge, darunter einen sog. Eisgrundkurs absolviert hatte. Am 04.08.1988 hatten sich die Teilnehmer dieser Tour, die Klägerin, ihr Ehemann, ... und ..., getroffen, um zur Vorbereitung der Tour die Ausrüstung, die Vorkenntnisse und die zu wählende Route zu besprechen. Am 06.08.1988 übernachteten die Teilnehmer in der Läntahütte, wo ... von dem ortskundigen Hüttenwirt der direkte Aufstieg über den Läntagletscher empfohlen wurde, da auf der Route entlang dem Grauhorn mehrere Spalten vorhanden waren und zudem Steinschlag drohte. Nachdem die Teilnehmer von einer anderen Bergsteigergruppe erfahren hatten, daß der Aufstieg über die Läntalücke wegen Steinschlägen nicht gangbar sei, entschied sich ... in Übereinstimmung mit den anderen Teilnehmern der Tour für den vom Hüttenwirt empfohlenen direkten Aufstieg über den Gletscher. In ca. 2.720 m Höhe wollten die Teilnehmer eine Eisflanke überqueren, die eine Steilheit von ca. 40-45(Grad) aufwies. Die Tourenteilnehmer waren angeseilt: Als Erster ging ..., gefolgt von der Klägerin in ca. 25 m Abstand, dahinter mit je 5 m Abstand der Ehemann der Klägerin und .... Als der Ehemann der Klägerin oder ... ausglitt, stürzte die ganze Seilschaft ca. 200 m tief ab. ... starb noch an der Unfallstelle, die übrigen Teilnehmer wurden verletzt. Die Klägerin erlitt u.a. eine schwere Mittelhirnprellung, Rißquetschwunden, Schürfungen und Prellungen. Sie war mehr als sechs Monate bewußtlos, Beweglichkeit und Sprachvermögen sind erheblich eingeschränkt, sie ist auf Dauer schwerstbehindert und pflegebedürftig.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten  sowie von den Erben des tödlich verunglückten ...  Ersatz der bisher entstandenen Pflegekosten, Fahrtkosten, Schmerzensgeld, eine Rente sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden.

Sie hat insbesondere vorgetragen, daß ... den Unfall verschuldet habe, weil er pflichtwidrig und entgegen seiner Zusage in der steilen Eisflanke keine Eisschrauben gesetzt und statt der erforderlichen Mindestzahl von drei Eisschrauben nur eine Eisschraube mit sich geführt habe. Er sei zum Führen der Bergsteigergruppe nicht hinreichend qualifiziert gewesen, was sich die Beklagten im Rahmen des Auswahlverschuldens anrechnen lassen müßten. Der Erstbeklagte sei gegenüber der Klägerin als ihrem Vereinsmitglied vertraglich verpflichtet gewesen, sie sorgfältig und umsichtig bei dieser Tour führen zu lassen.

Die Klägerin hat beantragt,

    1.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin

        a)  DM 200.000,

        b)  ferner ab 01. Juli 1991 auf Lebenszeit der Klägerin eine Rente von
            monatlich 1.000, DM, zahlbar monatlich im voraus, und

        c)  weitere DM 135.188,06 zu bezahlen, und zwar die Beträge zu lit. a)
            und c) jeweils zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % jährlich
            seit Zustellung der Klagschrift.

    2.  festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
        sind, der Klägerin jeden weiteren, bereits eingetretenen und noch
        eintretenden materiellen und immateriellen Schaden aus dem Bergunfall
        vom 07.08.1988 am Rheinwaldhorn in Graubünden zu ersetzen, soweit der
        Ersatzanspruch der Klägerin nicht auf Sozialversicherungsträger und
        andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagten haben beantragt,

    die Klage abzuweisen.

Sie haben ein Verschulden des ... an dem Absturz bestritten. Die Benutzung des Seils sei wegen möglicher Gletscherspalten erforderlich gewesen, eine Sicherung durch Eisschrauben, wovon ... mehrere mit sich geführt habe, sei an der Absturzstelle weder erforderlich, noch üblich gewesen. ... habe sich gewissenhaft auf diese Tour vorbereitet, und die nötigen Kenntnisse sowie Fertigkeiten gehabt, was der Beklagte Ziff. 2 geprüft gehabt habe. Der Erstbeklagte hafte schon deshalb nicht, weil seine Mitglieder bei derartigen Bergtouren sich auf freiwilliger Basis zusammenfinden, der Tourenführer wie auch der Zweitbeklagte ehrenamtlich tätig werde.

Das Landgericht hat das Verfahren gegen die Erben des ... abgetrennt und die Klage gegen die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 durch das am 03.03.1992 verkündete Urteil abgewiesen. Wegen der Einzelheiten, auch des Parteivorbringens im ersten Rechtszug, wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen das am 31.03.1992 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 29.04.1992 eingekommenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit am 27.05.1992 eingegangenem Schriftsatz mit Begründung versehen hat.

Die Klägerin verfolgt ihr Klagegehren weiter. Sie hebt insbesondere darauf ab, daß ... den vom ... bei der Ausbildung zum ehrenamtlichen Hochtourenführer vorgesehenen Aufbaulehrgang Fels und Aufbaulehrgang Eis nicht absolviert gehabt habe, was der Zweitbeklagte gewußt habe. Dieser habe auch die labile, aggressive Gemütsverfassung ... gekannt und sich nicht darum gekümmert, welche Aufstiegsroute auf das Rheinwaldhorn ausgewählt werde. Im Vertrauen auf die gewissenhafte Auswahl von fachlich und charakterlich geeigneten Tourenführern habe sie sich ohne eigene Prüfung auf den ausgewählten Tourenführer verlassen. Die Schadensersatzpflicht des Erstbeklagten folge aus der schuldhaften Verletzung von Sorgfaltspflichten, die sich aus dem dienstvertraglich geprägten Mitgliedschaftsverhältnis ergäben, und aus unerlaubter Handlung, weil der Erstbeklagte eine Gefahrenquelle durch das Angebot der Bergtour geschaffen habe. Die Veranstaltung von Hochtouren unter Leitung eines ehrenamtlichen Führers gehöre zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Erstbeklagten, die dabei geschuldete Führungsleistung diene vor allem der Sicherung der Tourenteilnehmer. Für das Auswahlverschulden des Zweitbeklagten habe der Erstbeklagte nach § 31 BGB einzustehen, für das grob fahrlässige Verhalten des ... hafte der Erstbeklagte auch gem. § 278 BGB. Die Beklagten schuldeten deshalb vollen Ersatz des durch den Absturz am 07.08.1988 erlittenen Schadens.

Die Klägerin beantragt:

    1.  Die Beklagten werden als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an die
        Klägerin

        a)  DM 200.000,,

        b)  ferner ab Juli 1991 auf Lebenszeit der Klägerin eine Rente von
            monatlich DM 1.000,, zahlbar monatlich im voraus, und

        c)  weitere DM 135.188,06 zu bezahlen, und zwar die Beträge zu lit. a)
            und c) jeweils zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % jährlich
            seit Zustellung der Klagschrift.

    2.  Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner
        verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren, bereits eingetretenen
        und noch eintretenden materiellen und immateriellen Schaden aus dem
        Bergunfall am 07.08.1988 am Rheinwaldhorn in Graubünden zu ersetzen,
        soweit der Anspruch der Klägerin nicht auf Sozialversicherungsträger
        und andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagten beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen insbesondere vor, daß sie die Tourenvorschläge überprüfen, daß die Vorbereitung und Durchführung der Tour aber allein dem Tourenführer obliege, der auch mit den Teilnehmern die Tour vorbereite. Der geringe Organisationsbeitrag von 20, DM könne keine Bezahlung eines Bergführers darstellen, ihr Tourenführer sei als Mitglied des Erstbeklagten ebenfalls ehrenamtlich insoweit tätig. Die Ausbildungsrichtlinien des ... stellten maximale Forderungen für Lehr- und Führungskräfte dar, in der Praxis bleibe es aber den Sektionen überlassen, die Qualifikation der ehrenamtlichen Führer zu prüfen und diese entsprechend einzusetzen. Im vorliegenden Fall seien ausreichende Grundlagen für diese Prüfung vorhanden gewesen, ... sei nach seiner fachlichen Ausbildung, seiner Erfahrung und seinen sonstigen Eigenschaften geeignet gewesen, diese ziemlich schwierige Hochtour mit wenigen, qualifizierten Teilnehmern zu organisieren und zu führen. Aus dem von dem Bergsteiger ... geschilderten Unfallverlauf müsse geschlossen werden, daß ... eine Eisschraube setzen wollte, die durch das angespannte Seil dann weggeschleudert worden sei. Sie hätten durch die Veranstaltung einer geführten Bergtour keine Gefahrenquelle geschaffen, für die sie die Haftung tragen müßten. Jeder Teilnehmer einer derartigen Tour setze sich aufgrund seiner eigenen Entscheidung den Gefahren im Gebirge aus, die nie vollständig beseitigt werden könnten. Die ... habe Ausrüstung, grundsätzliche Eignung und Wahl der Route überprüft und dabei keine Verstöße oder Fehler festgestellt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen ... wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 10.12.1993 (Bl. 279-284 d.A.) und die Erläuterung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.1994 (Bl. 361-365 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils, dem er sich anschließt. Die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 sind der Klägerin nicht zum Ersatz des von ihr geltend gemachten Schadens verpflichtet.

1.

Der Erstbeklagte haftet weder aus Vertrag noch aus unerlaubter Handlung.

Wie das landgerichtliche Urteil zutreffend ausführt, bestand zwischen dem Erstbeklagten und der Klägerin kein Dienstvertrag mit dem Inhalt, die Klägerin sicher auf das Rheinwaldhorn hinauf- und wieder herunterzuführen. Durch die Aufnahme der im Streit stehenden Bergtour in das Vereinsprogramm hat der Erstbeklagte auch keine Veranstaltung im Sinne einer Reiseveranstaltung angeboten; ebenso kam durch das Einschreiben der Teilnehmer dieser Bergtour in die ausgelegte Liste des Erstbeklagten kein Vertrag im Sinne eines Dienstvertrages oder eines Reisevertrages zustande. Daran ändert nichts, daß die von der Klägerin vorgelegte DAV-Info Nr. 1 vom Juni 1992 (Anlage K 66) u.U. einen Vertrag oder ein vertragsähnliches Verhältnis bei der Teilnahme von Sektionstouren annimmt, da insoweit das gegenseitige Verhalten von Sektion und Mitglied zu bewerten ist. Die Sektion will ihren Mitgliedern die Möglichkeit bieten, mit gleichgesinnten anderen Mitgliedern gemeinsam den nach der Satzung vorgesehenen Sport auszuüben, wobei die Entscheidung der gemeinsamen Durchführung der Tour und die Planung von Einzelheiten den Teilnehmern dieser Tour obliegen. Die Mitglieder, die sich für die Teilnahme an einer derartigen Tour entscheiden, wissen, daß sie von ehrenamtlichen Führern, nicht von berufsmäßigen Bergführern, geführt werden.

Als Mitglied des Erstbeklagten hatte die Klägerin Mitgliedschaftsrechte, die zwar nicht dienstvertraglich geprägt sind, aber Grundlage von Schadensersatzansprüchen sein können (vgl. Karsten Schmidt, Die Vereinsmitgliedschaft als Grundlage von Schadensersatzansprüchen, JZ 1991, 157 ff.).

Nach seiner Satzung (§ 2 Ziff. 1) ist Zweck des Erstbeklagten die Förderung des Bergsteigens und Wanderns, Mittel, um dies zu erreichen, sind u.a. die Förderung bergsteigerischer Unternehmungen und die Veranstaltung von gemeinschaftlichen Bergfahrten und Wanderungen (§ 2 Ziff. 2). Diese Satzung stellt die Grundentscheidung für das Vereinsleben des Erstbeklagten dar, sie umreißt das Tätigkeitsgebiet und den gewählten Aufgabenkreis des Erstbeklagten. Auch bei der Auslegung der Satzung ergibt sich nicht, daß daraus eine dienstvertragliche Verpflichtung des Erstbeklagten für geführte Bergtouren aus dem Programm des Erstbeklagten entnommen werden könnte. Bei der Auslegung der Satzung ist das Wissen der Satzungsadressaten, also der Mitglieder des Erstbeklagten, heranzuziehen (vgl. Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer, BGB, 6. Aufl., Anm. 1 zu § 25). Die Mitglieder des Erstbeklagten wissen, daß die vom Erstbeklagten in sein Programm aufgenommenen "geführten Bergwanderungen" von ehrenamtlichen Führern geführt werden, die selbst Mitglieder des Erstbeklagten sind und über besondere bergsteigerische Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. Anders als berufsmäßige Bergführer haben diese ehrenamtlichen Bergführer die angebotene "geführte Bergwanderung" nicht schon früher ausgeführt, sie erhalten auch keine Bezahlung für ihre Führung, sie sind besonders erfahrene Vereinskameraden, die die Verantwortung für Führung und Vorbereitung dieser Bergtour übernommen haben. Eine Bezahlung dieser ehrenamtlichen Führer kann auch nicht darin gesehen werden, daß diese auf Kosten des ... eine Ausbildung in Lehrgängen und einen teilweisen Unkostenersatz erhalten. So hatte auch für die im Streit stehende Bergtour ... sich zuvor mit den Mitgliedern dieser "geführten Bergwanderung" (vgl. Anlage K 1 a) getroffen, um die Vorbereitung, den Tourenverlauf, die Ausrüstung und die Kenntnisse der einzelnen Mitglieder zu besprechen.

Aufgrund der Mitgliedschaft erwachsen einem Verein verstärkte Schutz- und Obhutspflichten gegenüber seinen Mitgliedern. Der Erstbeklagte durfte deshalb nicht eine "geführte Bergwanderung" aus seinem Angebot etwa einem Führer überlassen, der fachlich und persönlich dafür nicht geeignet war. Gegen eine solche Pflicht zur Auswahl eines geeigneten Führers für die Besteigung des Rheinwaldhorns am 06./07.08.1988 hat der Erstbeklagte aber nicht verstoßen. Er hat vielmehr  handelnd durch den Zweitbeklagten  mit ... einen fachlich und persönlich geeigneten Führer für diese Bergtour ausgewählt, wie sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats dargestellt hat.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergeben sich aus den Richtlinien für "Ausbildung und Prüfung ehrenamtlicher Lehr- und Führungskräfte" nicht auch Pflichten hinsichtlich der Auswahl der ehrenamtlichen Führer für die angebotenen "geführten Bergwanderungen". Nach diesen Richtlinien des ... umfaßt die Ausbildung zum Fachübungsleiter für Hochtouren einen Grundlehrgang von 60 Unterrichtsstunden, den Aufbaulehrgang I (Fels) von 57 Stunden und den Aufbaulehrgang II (Eis) von 91 Unterrichtsstunden; zur Ausbildung wird nur zugelassen, wer nach dem Tourenbericht der letzten drei Jahre ausreichend alpine Erfahrung aus Eistouren, aus kombinierten Touren mittlerer Schwierigkeit und aus alpinen Klettertouren im Schwierigkeitsgrad IV jeweils als Seilerster verfügt. Diese Richtlinien gelten für die Ausbildung, sie besagen aber nicht, daß nur derart ausgebildeten Führern in der Praxis auch tatsächlich die Führung von Touren überlassen werden darf. Die Beklagten weisen zutreffend darauf hin, daß diese Richtlinien nur die Ausbildung betreffen und einen Idealzustand beschreiben, der angesteuert werden soll; wenn nur nach diesen Richtlinien ausgebildeten Führern derartige Touren überlassen werden dürften, könnte der ... seinem satzungsgemäßen Vereinszweck nicht mehr nachkommen, weil zuwenige, derart ausgebildete Führer vorhanden sind, was auch seinen Mitgliedern bekannt ist. Bei der Auswahl der ehrenamtlichen Führer für eine "geführte Bergwanderung" aus seinem Programm hat der Erstbeklagte die verkehrsübliche Sorgfalt anzuwenden. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ... war ... ein guter Alpinist und nach den Touren, die er teils als geführter Teilnehmer, teils als führender Teilnehmer ausgeführt hat, geeignet, die im Streit stehende Tour auf das Rheinwaldhorn zu führen. Daß ... nur einen Aufbaukurs und einen Eiskurs absolviert hatte, änderte an seiner Geeignetheit nichts. Die Erfahrung am Berg, die er durch seine früheren Touren gewonnen hat, wiegt eine Ausbildung durch weitere Kurse auf, wie der Sachverständige überzeugend dargestellt hat. Auch bei Ausführung dieser im Streit stehenden Tour hat ... sich richtig verhalten bis zu seiner Fehlentscheidung auf der Eisplatte, wo er die nötige Sicherung der von ihm geführten drei Mitglieder der Tour unterlassen hat. Die von ... dabei angewandte Anseiltechnik zeigt, daß er die ihm nachfolgenden Tourenmitglieder sichern wollte. Er hat dabei, wie der gerichtliche Sachverständige ... ausführte, die Leistungsmöglichkeit seiner Seilschaft nicht richtig eingeschätzt und nicht einen Standplatz gesichert, der gegen die Folgen eines möglichen Ausgleitens eines Mitglieds die Seilschaft sicherte. Der Sachverständige ... entnimmt aus der von ... gewählten Anseilart, daß er diese Seilschaft mittels Standplatzsicherung über die Steilstufe führen wollte, offensichtlich aber durch das relativ zügige Vorankommen im griffigen Eis verführt wurde, ohne Standplatzsicherung bis über die Steilstufe ungesichert vorauszusteigen. Dieses vom Sachverständigen ... als klares Fehlverhalten des ... gewertete Verhalten war allein dessen Fehlentscheidung und stand allein in dessen Verantwortungsbereich. Daß eine Seilverbindung überhaupt gewählt wurde, war angesichts möglicher Gletscherspalten erforderlich und angemessen. Sie gab auch keine trügerische Sicherheit, da sie sicher gewesen wäre, wenn die erforderliche Standplatzsicherung vorgenommen worden wäre.

Der Sachverständige ... führte überzeugend aus, daß die für den Unfalltag vom Hüttenwart der Läntahütte empfohlene und von ... gewählte Aufstiegsroute eine alpinistisch richtige Entscheidung war. Dem Erstbeklagten kann nicht angelastet werden, nicht selbst eine Mitsprachemöglichkeit bei der Wahl der Route sich vorbehalten zu haben, da diese Wahl auch von den am Ausführungstag herrschenden Witterungs- und Umweltverhältnissen abhängt. Nach dem gerichtlichen Gutachten hat ... bis zu der spontanen Entscheidung, ohne Standplatzsicherung über die Steilstufe zu steigen, sich richtig verhalten.

Auch unter dem Gesichtspunkt, daß nach dem Absturz bei ... nur eine Eisschraube gefunden wurde, obwohl eine Sicherung durch Anbringung von Eisschrauben den Einsatz von mindestens drei Eisschrauben erfordert hätte, ist eine Haftung des Erstbeklagten nicht zu bejahen. Zum einen steht nicht fest, ob ... vor dem Absturz nicht doch mehrere Eisschrauben hatte, die dann verlorengegangen sein könnten, zum anderen wäre eine Sicherung des Standorts, wie der gerichtliche Sachverständige vor dem Senat erläuterte, auch durch andere Maßnahmen möglich gewesen.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß die sichere Führung der Tourenmitglieder nicht zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Erstbeklagten gehört, für deren schuldhafte Schlechterfüllung durch den Tourenführer der Erstbeklagte Schadensersatz zu leisten hätte.

Der Erstbeklagte haftet der Klägerin auch nicht aus unerlaubter Handlung. Durch das Fördern des alpinen Bergsports hat der Erstbeklagte keine zusätzlichen Gefahren geschaffen, die eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht begründen könnten (vgl. Hagenbucher, Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten als Ursache von Ski- und Bergunfällen, NJW 1985, 177 ff.). Eine Haftung wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht setzt voraus, daß eine Verantwortlichkeit für atypische Gefahren besteht, welche über die üblichen Gefahren des Bergsteigens hinaus zu einer besonderen Gefährdung führen und nicht ohne weiteres erkennbar und vermeidbar sind (vgl. OLG Nürnberg MDR 1976, 222). Wie der Sachverständige ... bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens betonte, nimmt jeder Bergsteiger grundsätzlich in Eigenverantwortung ein gewisses Risiko in Kauf. Daß bei einer Seilschaft einer der Teilnehmer ausrutscht und die gesamte Seilschaft mitzieht, gehört nicht zu den atypischen Gefahren des Bergsteigens. Die Erörterungen der Parteien und des Sachverständigen über die Notwendigkeit einer Sicherung des Standplatzes gegen den durch das Ausrutschen eines Teilnehmers verursachten Absturz der gesamten Seilschaft machen vielmehr deutlich, daß die Gefahr eines derartigen Absturzes zu den typischen Gefahren beim Besteigen einer steilen Wand oder Eisfläche gehört. Da schon eine Haftung aus Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorliegend vom Ansatz her ausscheidet, kann die Berücksichtigung einer Mitverantwortung im Rahmen des § 254 BGB offenbleiben.

2.

Auch eine Haftung des Zweitbeklagten ist nicht gegeben. Eine eigene Haftung aus Vertrag ist, worauf das landgerichtliche Urteil mit Recht verweist, nach dem Vortrag der Klägerin nicht gegeben.

Auch aus unerlaubter Handlung ist eine Haftung des Zweitbeklagten nicht zu bejahen. Er war als Tourenwart für die Auswahl und Beauftragung der ehrenamtlichen Hochtourenführer zuständig. Wie vorstehend bereits für den Erstbeklagten ausgeführt wurde, war er damit verpflichtet, bei dieser Auswahl und Beauftragung die verkehrsübliche Sorgfalt zu beachten; auf seine dabei zu übende Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt durften sich die Tourenteilnehmer verlassen. Der vom Zweitbeklagten insoweit ausgewählte ... war, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ... ergibt, zur Führung der im Streit stehenden Bergtour geeignet. Der Zweitbeklagte kannte ... und seine alpine Laufbahn, er hatte keinen Anlaß, an dessen Zuverlässigkeit und fachlicher Eignung zu zweifeln. Die spätere Fehlentscheidung ... auf der Eisfläche war für den Zweitbeklagten nicht voraussehbar und kann ihm nicht angelastet werden. Wie der gerichtliche Sachverständige bei seiner mündlichen Erläuterung ausführte, hätte ein solcher Fehler sogar einem berufsmäßigen Bergführer passieren können. Selbst wenn die von der Klägerin vorgetragene Tatsache der Ehescheidung ... dem Zweitbeklagten bekannt gewesen wäre, hätte diese Kenntnis ihn nicht veranlassen müssen, an der persönlichen Zuverlässigkeit und Geeignetheit ... als Tourenführer zu zweifeln. Das Verhalten ... bei Führung der Tour zeigt vielmehr, daß er seine Seilschaftsteilnehmer ordnungsgemäß führte und sichern wollte, bis er sich zu einem Weitersteigen ohne Standplatzsicherung entschloß.

Die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Landgerichts war deshalb als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.