Genußklettereien (IV - VI)
an der Hörndlwand (1684 m)
Überblick
Nach
der Kampenwand ist die Hörndlwand der zweite bedeutende Kletterberg
der Chiemgauer Alpen. Die Nordwand (im Bild vom Aufstiegsweg kurz vor der
Hörndlalm aufgenommen) ist mit einem ganzen Netz von interessanten
Routen überzogen. Die Routen haben durchaus alpinen Charakter, soweit
man das von einem derartigen Voralpenzapfen sagen kann. Die Absicherung
ist trotz der Sanierung einiger Klassiker nicht ganz so perfekt wie an
der Kampenwand. Ein abseilender Rückzug ist nicht immer einfach möglich.
Hat man dagegen den Gipfel erreicht, ist der Abstieg zur Hörndlalm
schnell, einfach zu finden und unproblematisch. Die Nordwand der Hörndlwand
ist ideal für heiße Hochsommertage, wenn es in den Südwänden
von Kampenwand und Ruchenköpfen unerträglich heiß wird.
Insbesondere im schattigen Vorbaukamin bleibt es angenehm kühl, oder
manchem sogar zu kühl.
Es gibt leider keinen aktuellen Führer für die Hörndlwand.
Die klassischen Routen sind im AVF Chiemgauer Alpen von Zebhauser
beschrieben. Aufgrund der regen Erschließungstätigkeit der letzten
Jahre gibt es jedoch zahlreiche neue Routen und manche Klassiker wurden
saniert. Der Führer Hörndl-Topos von Eidam u.a. ist vergriffen
und in München auch in keiner der zahlreichen alpinen Bibliotheken
zu finden. Einige aktuelle Topos finden sich im Internet bei First-Out.
Zustieg
Von Seehaus (750 m) an der Straße von Ruhpolding nach Reit im Winkl
erreicht man auf einem schönen abwechslungsreichen Weg die Hörndlalm
(1410 m, Bergwachthütte, nicht bewirtschaftet) in unter 1,5 bis 2
Stunden. Von dort kann man den weiteren Zustieg zu den Nordwandrouten über
das steile Geröllfeld leicht überblicken. Am Weg liegt die Brander
Alm, die beim Abstieg nach einem ausgefüllten und erlebnisreichen
Klettertag zur Einkehr einläd.
Ein Vorteil der Hörndlwand ist, daß der Gipfel auf verschiedenen
Wegen einfach erwandert werden kann. Insbesondere empfiehlt sich der Weg
durch das Ostertal, der kurz vor der Hörndlalm auf knapp 1300 m vom
oben beschriebenen Weg im Wald links abzweigt (ausgeschildert). Man kann
also nicht kletternde Freunde mitnehmen und sich auf dem Gipfel treffen.
Die Nordwand-Kletterrouten enden auf dem Nordgipfel mit Gipfelkreuz, der
von Wanderern normalerweise nicht betreten wird. Über einen Steig
kann man in wenigen Minuten zum schon sichtbaren Südgipfel hinüberspazieren
(kurze Stellen I).
Mit
Bahn und Bus ist der Ausgangspunkt Seehaus auch zu erreichen, allerdings
wird die Zeit etwas knapp. Mit der Bahn über Traunstein nach Ruhpolding,
von dort mit dem Bus nach Seehaus. Zur
Not per Anhalter nach Ruhpolding, von dort Bahnverbindungen nach München
bis spät abends.
Abstieg
Vom Nordgipfel über Steigspuren, den Südgipfel umgehend, gelangt
man hinab in die stark erodierte, schottrige wilde Westflanke und in knapp
30 Minuten zurück zu Hörndlalm (Gehgelände, Stellen I).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Besser zu begehen, aber auch länger
ist der Weg über den Südgipfel in die Scharte zwischen Hörndlwand
und Gurnwandkopf und von dort hinab zur Hörndlalm (bezeichnet). Kurz
bevor man die Hörndlalm wieder erreicht, kann man über
das steile Geröllfeld zu den Einstiegen queren und die dort hinterlassenen
Rucksäcke einsammeln. Für den Abstieg empfiehlt sich die Mitnahme
leichter Trekkingschuhe.
Nordwestsockel (IV), Merklriß (V), Mittlere
Nordwand (IV+)
Die Nordwand wird üblicherweise in drei Zonen unterteilt: Sockel,
Vorbau, Gipfelaufbau. Durch jede gibt es mehrere Routen; durch die Kombinationsmöglichkeiten
ergibt sich ein fast unerschöpfliches Routenpotential. Eine klassische
Kombination im mittleren Schwierigkeitsbereich ist Nordwestsockel (IV),
Merklriß (V) und Mittlere Nordwand (IV+).
Die Routen sind zum Teil mit Bohrhaken saniert. Der Nordwestsockel
ist ausreichend mit Bohrhaken gesichert, der Merklriß jedoch nur
mit Normalhaken, die mittlere Nordwand mit wenigen Bohrhaken. Die Bewertungen
an der Hörndlwand sind eher streng, man kann durchaus einen Viertel-
bis halben Grad hinzugeben.
Im übrigen wird auf die ausführliche Tourenbeschreibung bei
Andreas
Krebs verwiesen. Eine wichtige Ergänzung: Den Zustieg zum Nordwestsockel
findet man am einfachsten, wenn man schon von der Bergwachthütte (Hörndlalm)
nach der sehr markanten Höhle in Form eines Dreiecks Ausschau hält.
Im Bild rechts, dort wo das gras- und latschendurchsetzte Geröllfeld
am höchsten hinaufreicht, direkt über dem Latschenfleck. oben
In direkter Linie darunter befindet sich der Einstieg.
Vorbaukamin (IV+)
Sehr
eindrucksvoll und lohnend ist der Vorbaukamin (im Zebhauser IV-,
eher IV+). Eher eine mächtige, ca. 50 m hohe Verschneidung. Im Bild
ist der Vorbaukamin einfach zu erkennen. Es ist die Verschneidung zwischen
der schattigen Wand in der Fallinie des Gipfels und dem rechts vorspringenden
markanten Pfeiler bzw. Vorbau. Um zum Einstieg des Vorbaukamins zu gelangen,
bietet sich der Alte Schmidkunzweg (II) an. Auch die Kombination mit dem
Nordwestsockel ist möglich. Von dessen Ausstieg muß man dann
nach links über den Schmidkunzweg (Gehgelände und I-II) ca. 45
m absteigen, bis man auf einen Ringbohrhaken trifft. Von dort geht es leicht
ansteigend links hinauf bis zum Einstieg direkt unter der mächtigen
Verschneidung. Von dort geht es im wesentlichen im Verschneidungsgrund
hinauf. Am Anfang kann man auch auf die rechte Begrenzungswand ausweichen.
Die dortigen Bohrhaken gehören allerdings zu einer deutlich schwereren
Route. Daher sollte man nicht versäumen, rechtzeitig wieder in die
Verschneidung zu queren. In der Verschneidung selbst nur einige alte Haken,
aber Möglichkeiten zum Legen von Köpflschlingen und Keilen. Nach
ca. 25 Metern Stand möglich an zwei Bohrhaken. Die Kletterei ist schön,
aber für einen Vierer nicht ohne.