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Lamsenspitze (2508 m) - Hochnissl (2546 m)

"Unter diesem Namen mit seinem erläuternden Beisatze ist einer der vielen, in den ödesten Winkeln der Innthaler Gebirge verborgenen Gipfel weiterhin bekannt geworden, als es seinen theilweise würdigeren Genossen dieses glückte. "Die Lamsenspitze im Stallenthal" - sie figurirt in Bergbeschreibungen und Reisehandbüchern, wo von der Karwendel-Gruppe, von den Kalkketten im Norden des Inn die Rede, als Symbol jener unbekannten Gipfelschaar, als ihr Wortführer in einem gewaltigen "Noli me tangere!" - Die Lamsenspitze soll unersteiglich sein - so hört und liest man zu München und Innsbruck; zuweilen wird wohl auch beigefügt, daß von einer einstmals erfolgten, nie mehr wiederholten Beisteigung derselben die Sage gehe - oder es wird eine andere, als die Stallenthalseite dieses Gipfels vermuthungsweise als die besser ersteigbarer bezeichnet. All' dies ist müssiges Gerede, welchem vor Allem die Basis einer einigermaßen genauen topographischen Kenntniss fehlt."
So beginnt Kapitel XVI. Die Lamsenspitze im Stallenthal von Hermann von Barths Aus den Nördlichen Kalkalpen, 1874. Der AV-Führer Karwendel gibt übrigens als Erstbesteiger Lipold, 1843 an.
Ostwand der Lamsenspitze über der Lamsenjochhütte (8.9.02) [Zum Vergrößern anklicken]Die Lamsenspitze (2508 m) ist einer der markantesten Gipfel im Karwendelhauptkamm. Über der Lamsenjochhütte am Ende des Stallentals erhebt sie sich mit ihrer mächtigen Ostwand (Bild). Direkt über der Hütte erkennt man den Lamsenhüttenturm, links davon verläuft der Steig zum Brudertunnel. Zum Falzthurntal zeigt sie die kaum minder eindrucksvolle Nordwand.
Der Wanderer erreicht die Lamsenspitze weder durch den Ost- noch die Nordwand, sondern über die erheblich zahmere Südseite. Der eigentliche Gipfelanstieg beginnt an der Lamsscharte (2270 m), die sich unmittelbar unter der Ostwand dort befindet, wo die Südostkante (im Bild oben links) ansetzt. Die Lamsscharte (der niedrigste Übergang in den Karwendel-Hauptkette) kann man lang und mühsam über Vomper und Zwerchloch aus dem Inntal erreichen. Kürzer und einfacher ist der Zugang von der Lamsenjochhütte (1953 m, DAV Sektion Oberland, Zugänge s.u.). Von der Lamsenjochhütte führt der bezeichnete Weg über das Geröllfeld an die Abstürze der Ostwand heran (Im Frühsommer meist ein Altschneefeld). Dann über den versicherten Steig über steilen Plattenschüssen mit schönen Erosionsrinnen hinauf zur Scharte (etwas ausgesetzt). Dieser gesicherte Steig existierte schon seit weit über 100 Jahren:
"Nach 10 Minuten waren wir auf dem Grat; ein steiles, aber mit Rasenplätzchen ausreichend durchstreutes Plattengehänge tieft von da auf die Schutthalden sich ab, die den Ostfuss der Lamsenspitze umlagern. Mächtige Eisenstangen, am oberen Ende zu Ringen umgebogen, sind in den Felsen eingelassen; wenn Herzog Ernst von Coburg und seine Jagdgäste im Lamskar Gemsjagd halten, so wird durch diese Ringe ein Seil gezogen und dadurch ein sicherndes Geländer hergestellt. Tiefer unten findet sich noch eine Holztreppe über einen besonders steilen Absatz und ein kurzer Steg über eine Kluft. Der ganze Apparat ist zur Ersteigung der Scharte ein grosser Behelf der Bequemlichkeit, aber nicht unbedingt vonnöthen. Ich erwähne diess aus dem Grunde, weil häufig Zweifel ausgedrückt werden, ob der künstliche Steig an der Lamsscharte wohl noch in Ordnung un der Uebergang möglich sein. Ein geübter, schwindelfreier Bergwanderer braucht sich dadruch nicht beirren zu lassen."

H. v. Barth, aaO, S. 350

Wer es noch etwas ausgesetzter und spektakulärer mag, wählt den durch den Lamsentunnel (Brudertunnel) führenden Klettersteig. Der bezeichnete Steig führt von der Hütte in südlicher Richtung an die Felsen. Am durchgehenden Drahtseil geht es über ausgesetzte Bänder steil hinauf (Weniger Geübte mit Klettersteigsicherung). Der Klettersteig durch den Brudertunnel wurde 2002 durch die Bergrettung Schwaz saniert (Bilder) und die Routenführung etwas verändert. Im unteren Teil verläuft der Steig jetzt teilweise rechts der Rampen über plattige Felsen (ziemlich ausgesetzt). Der Steig ist hervorragend versichert, für weniger Geübte ist eine Klettersteigsicherung empfehlenswert. Höhepunkt des Steigs ist der eigentliche Brudertunnel, ein natürlich Felsdurchbruch im Gratverlauf, der mit Eisenklammen gangbar gemacht wurde. Es ist ein besonderes Erlebnis, nach den letzten kraftvollen Zügen aus dem feuchten, dunklen Loch auf die sonnendurchflutete Südseite zu kommen. Auf der Südseite quert man auf bequemen Steig nach Westen zur Lamsscharte.
Von dort geht es nach einer Querung auf der Südseite und über die nunmehr gesicherte östliche Begrenzungsrippe der Turnerrinne auf den Gipfel. Empfehlenswert ist die Kombination Brudertunnel im Aufstieg und der Weg über die Lamsenscharte und unterhalb der Ostwand im Abstieg.

Hochnissl (2546 m)

Hochnissel, Steinkarlspitze und Rotwandlspitze (8.9.02) [Zum Vergrößern anklicken]An der Lamsenspitze wendet sich der Karwendelhauptkamm nach Südosten. Eine geschlossene Wand begleitet über mehrere Kilometer das Stallental. Der Hochnissl ist der höchste Gipfel in diesem Abschnitts, bevor sich der Karwendelhauptkamm über einige niedrigere Gipfel (Mittagspitze, Fiechterspitze) endgültig absenkt. Das Bild zeigt den Hochnissl von knapp unterhalb der Lamsscharte. Die erste, etwas nach links vorgeschobene Erhebung ist der Lamsenhüttenturm (2216 m), in dem tiefen Grateinschnitt dahinter liegt der Ausgang des Brudertunnels. Dann erhebt sich der Kamm über Rotwandlspitze (2312 m) und Steinkarlspitze (2460 m) zum Hochnissl (beide erscheinen auf dem Bild kaum niedriger als der Hochnissl und sind schwer zu erkennen). Der Gipfel des Hochnissl ist von der Steinkarlspitze fast vollständig verdeckt.
Der Steig über den Kamm ist sehr aussichtsreich und lohnend. Vom Ausgang des Brudertunnels wendet man sich nach Osten (bezeichnet). Immer den Markierungen folgend steigt man meist in der Südflanke des Kammes nach Osten. Teilweise etwas ausgesetzt und teilweise leichte Kletterei (I, splittriger Fels). Die Rotwandlspitze wird überschritten, die Steinkarlspitze knapp unterhalb des Gipfels gequert (Besteigung in wenigen Minuten möglich, I). Nach der Steinkarlspitze ein sehr steiler Abstieg in eine Rinne, die sich zu einem Kamin verengt. Hier sind die Klammern wirklich notwendig. Zu dieser Stelle - allerdings Begehung in Gegenrichtung - findet sich eine hübsche Episode bei H.v.Barth (aaO S. 347):
"Ein paar schrofige Risse und zackige Rippen wurden übersetzt und umgangen, mit hoher, weit herabgreifender Steilwand sperrte der Steinkarlspitz das weitere Vordringen. Wieder bogen wir in eine Runse ein und steigen in ihrer Trümmersohle hinan; nur wenige Minuten dauerte es, so betraten wir einen kesselförmig erweiterten Absatz, den etwa 3 Klafter [Anm.: ~ 6 m] hoch eine völlig glatte Abstufung sperrte. Seitliches Ausweichen war nicht möglich. "Das ist jetzt der Ort; wie gefällt er Ihnen?" meinte der Jäger, setzte sich auf einen Block und begann die Schuhe auszuziehen. Ich schnallte die Eisen an und wartete der Dinge, die da kommen sollten; so recht erklärlich war mir der Aufstieg, namentlich über die unterste Mannshöhe, auch nicht; ich nahm mir aber vor, genau darauf zu achten, wo der Jäger die Zehen einsetzte - dort mussten meine Eisenzacken dann wohl ebenfalls haften. Aber auch damit hatte ich die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Als der Jäger mich warten sah, forderte er mich auf, nur immer voran zu steigen, denn sei er voraus und ich käme nicht nach, so müsse er die Stufe wieder herunter, was ihm nicht geheuer dünke. So trete ich denn an die Wand heran, das Gesicht hart am Felsen, und fasse, was eben am Gestein sich fassbar fühlt und bohre das Eisen an die Mauer und, das linke Knie gegen die Wandung gestemmt, reisse ich die Last des Körpers nach - und noch einmal hinauf, wo ein enger Ritz in den Platten sich zeigt - und quer durch die Kluft mich neigend bekomme ich das rechtsseitige Riff zu packen, einige hohe Staffeln in angestrengten Tritten erkletternd gewinne ich festen Stand auf zertrümmerten Schrofen und schnappe nach Luft - "Nur immer nach, ich bin schon oben; die Steigeisen taugen eben doch!" - Einige Minuten später war der Jäger auch zur Stelle; ich hatte erfahren, dass ich seinen "Gang" wohl zu bestehen vermöge; zudem hatte ich mein volles Gepäck mit heraufgeschleppt, während er nur die Bergschuhe im Rucksacke hatte."
Dann einfacher hinauf zum Gipfel des Hochnissl (2 Stunden vom Ausgang Brudertunnel). Zahlreiche Versicherungen, die allerdings größtenteils locker sind, die Verankerungen der Seile kommen zum Teil aus der Wand (Stand September 2002, am Beginn des Steigs ein Warnschild: Begehung auf eigene Gefahr). Die meisten Versicherungen sind für Geübte überflüssig, lediglich am Ende des erwähnten Kamins in der Ostflanke der Steinkarlspitze ist man auf die dort angebrachten Klammern angewiesen (die noch einen recht soliden Eindruck machten). Abstieg wie Aufstieg (1,5 - 2 Stunden vom Gipfel bis zur Lamsenjochhütte über die Lamsscharte).

Klettern im Umfeld der Lamsenjochhütte

Neben der klassischen NO-Kante der Lamsenspitze (IV, saniert, mehr Info hier und hier) gibt es weitere alpine Routen und einen Klettergarten in der Ostwand der Lamsenspitze (dazu mehr).

Zugang Lamsenjochhütte:

Gehzeiten:

Karte: Alpenvereinskarte 5/3: Karwendelgebirge Östliches Blatt
Internet: Beschreibung Brudertunnel und Lamsenspitze auf Bergsteigen.at und bei Wolfgang Leonhard

Ausgangspunkt Eng/Großer Ahornboden (über Lenggries) oder Gramaialm (über Tegernsee). In der Sommersaison gute Busverbindung durch Bergsteigerbusse des RVO.