Das Oberlandesgericht München hat in einem Grund- und Endurteil einer Klägerin, die bei dem Lawinenunglück in der Nähe der Jamtalhütte in Österreich ihren Ehemann verlor und selbst verschüttet wurde, unter Aufhebung des klageabweisenden Ersturteil gemäß §§ 651 a, 651 c, 651 f BGB Ersatz für Verdienstausfall und vertanen Urlaub in Höhe des Reisepreises zugesprochen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Klägerin wegen Organisationsverschuldens des Reiseveranstalters gemäß § 823 BGB Schadensersatz in Form einer monatlichen Rente für den Verlust des Unterhalts durch den getöteten Ehemann und Schmerzensgeldansprüche zustehen.
Der erkennende Senat ist in den Gründen der Auffassung, dass der Reiseveranstalter, der die Tour als "sicher mit sanften Anstiegen versehen" im Katalog dargestellt hatte, keine sichere Tour durchgeführt hat. Den nach der gesetzlichen Regelung gemäß § 651 f BGB ihm abzuverlangenden Entlastungsbeweis mangelnden Verschuldens habe der Reiseveranstalter nicht führen können. Die Bergführer als seine Erfüllungsgehilfen hätten den Lawinenlagebericht mit Warnstufe 4 (starke Lawinengefahr) nicht beachtet. Bei dieser Warnstufe hätten Hänge von über 30 Grad Neigung (der begangene Hang wies eine Neigung bis zu 41 Grad auf) nicht mehr begangen werden dürfen. Außerdem seien Entlastungsabstände nicht eingehalten worden. Die Gruppe sei pulkartig gegangen. Außerdem sei die sichere Route über den Talboden trotz der Lawinenwarnstufe nicht gewählt worden. Die Teilnehmer seien über die "starke Lawinengefahr" nicht informiert worden.
Die Haftung für deliktisches Verhalten begründet das Gericht mit einem dem Veranstalter vorzuwerfenden Organisationsverschulden. Er habe entgegen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht, die schon der Bundesgerichtshof Reiseveranstaltern abgefordert habe, versäumt die oben angeführten Sicherheitsstandards in einem von den Bergführern zu beachtenden, verbindlichen Konzept rechtzeitig darzustellen und umzusetzen, obwohl entsprechende Forderungen in Fachkreisen bereits lange vor dem Unglück erhoben worden seien. Erst durch das Jamtalunglück veranlasst habe eine Expertenkommission ein 3/4 Jahr später im September 2000 Richtlinien als Standards bzw. Limits festgelegt, die nunmehr der Veranstalter als für seine Bergführer verbindlich zu beachten erklärt habe. Die Tatsache, dass der Veranstalter die ihm bereits bekannten Sicherheitsstandards nicht vor der Tour für seine Bergführer für verbindlich erklärt habe, stelle eine vorwerfbare, fehlerhafte Organisation dar, unabhängig von der Frage, ob der Veranstalter wegen unzureichender Auswahl bzw. Überwachung der Bergführer als seiner Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) im Bereich der deliktischen Haftung einzustehen habe, die offen bleiben könne.
Die Bejahung der Deliktshaftung des Reiseveranstalters bei der hier gegebenen Fallkonstellation stelle keine Überspannung der Anforderungen dar. Sie berühre nicht den Bereich des "bergsportimmanenten Restrisikos", also der durch noch so sorgfältige Vorkehrungen nicht beherrschbaren, im Hochgebirge immer wieder möglichen und auch dem Reiseveranstalter nicht zu überbürdenden Gefahren von plötzlichen, unvorhersehbaren Naturereignissen bzw. schicksalhaften Begebenheiten. Vielmehr sei hier der Bereich betroffen, der durch Beachtung von elementaren Sicherheitsstandards, auf die gerade der nicht-professionelle ungeübte Teilnehmer einer Freizeitveranstaltung vertrauen könne, weitgehend beherrschbar sei. Insoweit gelte bezüglich der Sicherheitsstandards, deren Beachtung das Lawinenunglück verhindert hätte, für einen Spezialveranstalter von Hochgebirgstouren nicht anderes als für andere Reiseveranstalter, die gleichfalls dem Reiseteilnehmer für eine möglichst sichere Durchführung einer Pauschalreise verantwortlich seien.
Schmerzensgeld wurde nur dem Grunde nach zugesprochen, weil zur Höhe noch weitere Erhebungen erforderlich sind.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.